Tierrechte: Schimpansen aus der Sklaverei befreien?

(c) � John Springer Collection/CORBI
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In den USA will das "Nonhuman Rights Project" Persönlichkeitsrechte für Tiere mit hohen kognitiven Fähigkeiten erstreiten. Rechtsinstrument ist die Habeas-Corpus-Akte, mit der einst die Sklaverei abgeschafft wurde.

Der Status der Sklaverei ist so, dass er aus keinem Grunde eingeführt werden kann, weder einem moralischen noch einem politischen... Deshalb muss der Schwarze freigelassen werden.“ Mit diesen Worten beendete Lord Mansfield, Richter am Höchstgericht des Commonwealth, am 22.Juni 1772 juristisch die Sklaverei im Vereinigten Königreich. Anlass war der Sklave James Sommerset, er war von einem britischen Regierungsangestellten in den USA erworben und nach England gebracht worden. 1771 floh er. Er wurde ergriffen, sein Besitzer verfrachtete ihn auf ein Schiff Richtung Jamaika, da sollte er weiterverkauft werden.

Bevor das Schiff ablegen konnte, kam Einspruch. Sommerset hatte sich in England taufen lassen, die Paten zogen zu Gericht. Sie wollten, dass Mansfield aussagt, das ging so einfach nicht, er war als Sklave eine Sache, keine Person. Deshalb beriefen sie sich auf die Habeas-Corpus-Akte von 1679, ihr zufolge darf etwa eine gefangengehaltene Person vor Gericht aussagen. Lord Mansfield lud Sommerset vor, damit war der keine Sache mehr. „Es war eine Transsubstantiation, ein rechtliches Ding wurde in eine rechtliche Person verwandelt“, erklärt Steven Wise, ein Anwalt in Boston, der sich seit 30 Jahren um Rechte für Tiere bemüht und u.a. den Fall Sommerset eingehend studiert hat.

Eine Sache in eine Person verwandeln

Ihn will er bzw. das von ihm gegründete „Nonhuman Rights Project“ nun um die Fälle Tommy, Kiko, Hercules und Leo erweitern. Das sind Schimpansen, die von Privaten und in Labors im US-Bundesstaat New York gehalten werden. Auch sie sollen unter Berufung auf Habeas Corpus Persönlichkeitsrechte erhalten und aus ihrer Sklaverei befreit werden, in Tierheime. Ähnliches hat Wise früher schon versucht, 1993 etwa wollte er einen Delfin freiklagen, ein Gericht lehnte ab (ein zweites tat es 2011 beim Vorstoß anderer Tierrechtsaktivisten für Orcas). Aber da hatte Wise andere juristische Wege versucht.

Und in Fragen des Umgangs mit Tieren hat sich der Wind in letzter Zeit stark gedreht: Experimente an Schimpansen werden überhaupt nur noch in zwei Staaten durchgeführt, in Gabun und in den USA, und in den USA werden sie stark zurückgefahren, die Gesundheitsbehörde NIH hat im Juni angekündigt, 310 ihrer 360 Schimpansen in den Ruhestand zu schicken, und die Naturschutzbehörde Fish and Wildlife Service hat die in den USA gehaltenen Schimpansen zur gefährdeten Art erklärt. Damit sinkt die Zahl der möglichen Experimente drastisch. Falls Wise Erfolg hat, ist sie auf null.

Sie sei über den Vorstoß „schockiert und aufgeregt“, reagiert denn auch etwa Susan Larson, die an der Stony Brook University in New York an Schimpansen erkundet, wie sich der Mensch auf zwei Beine erhoben hat (Science, 342, S.1154). Aber auch Wise hat Wissenschaftler auf seiner Seite, allen voran Jane Goodall, sie haben über die Jahre viel zusammengetragen, was die Differenz zwischen Menschen und Schimpansen stark verringert hat: Unsere Cousins benutzen und verfertigen Werkzeuge, sie sind auch sonst zu hohen kognitiven Leistungen fähig, und sie gleichen uns als Einzige im gesamten Tierreich in der nicht so schmeichelhaften Eigenschaft, dass auch sie über Nachbarn herfallen und sie totschlagen, junge Männchen rücken in regelrechten Gangs aus.

In der Sache selbst, der Frage nach Rechten für Schimpansen, sind manche Staaten einen Schritt vorangegangen, Spanien etwa hat es getan. In Österreich haben sie keine Persönlichkeitsrechte, ein lange und sorgsam geführter Vorstoß des „Vereins gegen Tierfabriken“ bzw. seines Mitarbeiters Martin Balluch ist gescheitert: 1982 sollte ein Schimpanse aus Sierra Leone nach Österreich gebracht werden, für die Pharmaindustrie, auf dunklen Wegen, der Zoll fing ihn ab. Seitdem lebt er hier, betreut von Privaten, die gaben ihm den Namen „Hiasl“ und wollten für ihn rechtskräftig handeln dürfen („sachwalten“). Das kann man nur für Personen, auf diesem Weg hätte Hiasl eine werden können.

Misslungener Vorstoß in Österreich

Der Fall ging bis zum Europäischen Gericht für Menschenrechte in Straßburg, dort wies man ihn zurück: „Man sagte, ich hätte keine Legitimation zur Klage“, berichtet Balluch der „Presse“: „Inhaltlich wurde der Fall nie behandelt.“ In den USA wird er es nun, Wise hat mit Bedacht New York ausgesucht und sich dort an Gerichte gewandt, die in der Vergangenheit Tierrechten gegenüber aufgeschlossen waren. Falls sie es auch jetzt sind, fürchten manche das Schlimmste, Frankie Trull etwa, Präsidentin der National Association for Biomedical Research. Sie sorgt sich um die an Schimpansen durchgeführten Tests von Medikamenten und Impfstoffen: „Es brächte ein Chaos in die Forschung. Erst Schimpansen, und dann?“

„Gorillas, Orang-Utans, Elefanten, Wale, Delfine“, antwortet Wise: „Für alle Tiere mit solchen kognitiven Fähigkeiten würden wir gern klagen.“ Allerdings warnen Rechtskundige, die Strategie sei riskant und die Situation könne sich beim Scheitern der Klagen verschlechtern. Und einer versteht die ganze Aufregung überhaupt nicht, Patrick Lavery, er hält einen der Schimpansen, Tommy, und er gab der „New York Times“ zu Protokoll, er selbst habe Tommy befreit, aus übelsten Umständen: Die früheren Besitzer hätten ihn schlecht gehalten, nun habe er einen wohnlichen Raum mit „Tonnen von Spielzeugen“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.12.2013)

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