Kooperation, Austrofaschismus und der alte Goethe

Weihnachtseinkauf Bücher
Weihnachtseinkauf BücherClemens Fabry
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Ein paar Ideen für wissenschaftliche Bücher für den weihnachtlichen Gabentisch.

„Ihre atemberaubende Fähigkeit zusammenzuarbeiten ist einer der Hauptgründe, warum Menschen in jedem Ökosystem der Erde überleben können.“ Und: „Kooperation – nicht Konkurrenz – stützt Innovation.“ Diese zwei Kernsätze aus Martin Nowaks neuem Buch drücken aus, was den österreichischen Mathematiker in Diensten der Harvard University antreibt: Seit 20 Jahren erforscht er die Mechanismen, die zur Kooperation führen. In „Kooperative Intelligenz“ (347 S., 25,79 €, C. H. Beck) legt er nun ein vorläufiges Resümee vor. Sein Fazit: Man müsse – neben Mutation und Selektion – die Kooperation als drittes Grundprinzip in der Evolutionstheorie verankern. Und: „Wir brauchen Großzügigkeit, Zuversicht und Nachsicht, wenn wir das Gefangenendilemma lösen sollen.“

Historiker können freilich nur selten mit solch revolutionären Ideen aufwarten – aber auch dort gibt es Neues: etwa aus der Zeit des Autrofaschismus, der lange Jahrzehnte ein Tabuthema war und erst heute von einer neuen Generation an Forschern so richtig aufgearbeitet wird. Auf Basis eines Symposiums im Jahr 2011 in Wien sind im Böhlau-Verlag zwei gewichtige Bände erschienen: „Österreich 1933–1938“(400 S., 39 €) und „Das Dollfuss/Schuschnigg-Regime 1933–1938“ (638 S., 39 €). Der erste Band beleuchtet bisher kaum beachtete Bereiche (etwa „Anhaltelager“ oder Frauenpolitik); der zweite benennt, wo noch Forschungslücken klaffen. Und derer sind viele!


Zukunft und Historie. Unbekannt ist auch unser aller Zukunft. Dennoch hat es der Rat für Forschung und Technologieentwicklung gewagt, zwei Dutzend Wissenschaftler über „Österreich 2050“ (272 S., 17,30 €, Holzhausen) nachdenken zu lassen – etwa über Demografie, Bildung oder Föderalismus. Das Ergebnis ist eine bestechende Zusammenfassung der aktuellen Diskussion: eine Pflichtlektüre für alle, denen die Zukunft des Landes nicht egal ist.

Eine stete Quelle gut aufbereiteter Forschung von österreichischen Wirtschafts- und Sozialhistorikern ist der Mandelbaum-Verlag. Aktuell sind zwei Bücher empfehlenswert: In „Siziliens Geschichte – Insel zwischen den Welten“ (224 S., 19,90 €) wird dieses wunderschöne Land als „interkulturelle Kontaktzone“ gezeigt. Und „Europas Aufstieg – Eine Spurensuche im späten Mittelalter“ (250 S., 19,90 €) berichtet über aktuelle Debatten, warum ausgerechnet Europa eine Führungsrolle in der Welt einnehmen konnte.

Um „Unser Klima“ (239 S., 19,90 €, Facultas) geht es in einer Veröffentlichung von Forschern des ZAMG. Ganz im Sinn des leider viel zu früh verstorbenen Klimaforschers Reinhard Böhm, der das Buch noch initiiert hat, wird völlig unaufgeregt, aber sehr exakt und leicht lesbar der derzeitige Stand des Wissens zusammengefasst.

In einer Liste für den wissenschaftlich orientierten Gabentisch darf freilich auch das wohl beste kulturhistorische Buch der letzten Jahre nicht fehlen: Rüdiger Safranskis Goethe-Biografie (752 S., 28,70 €, Hanser) mit dem bezeichnenden Untertitel „Kunstwerk des Lebens“. Ein Schmöker, der keine Wünsche offenlässt!

Die Qual der Wahl

Noch bis 10. Jänner kann jedermann bei der Wahl zum „Wissenschaftsbuch des Jahres 2014“ mitmachen. Eine Jury – der auch „Die Presse“ angehörte – hat in vier Kategorien jeweils fünf spannende
Neuerscheinungen vorgeschlagen.
Nun sind die Leser
am Wort.

Die Kategorien sind: Naturwissenschaften/Technik, Medizin/Biologie, Geistes-, Sozial- und Kulturwissenschaften sowie Kinder- und Jugendbücher.

www.wissenschaftsbuch.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.12.2013)

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