Halbwegs Friede auf Erden: Von Mungos und Menschen

(c) Andrew Young
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Im Sozialleben drohen Mord und Totschlag, oder zumindest Trittbrettfahrer. Die Mungos haben darauf mit List reagiert, die Menschen mit Institutionen.

Nicht nur der Mensch ist des Menschen Wolf, auch bei den Mungos beißen sie einander die Augen aus bzw. die Jungen tot. Diese kleinen Säuger – uns bekannt vor allem durch Rudyard Kipling und dadurch, dass sie es mit Kobras aufnehmen – leben sozial, in Gruppen mit bis zu fünf älteren Weibchen und bis zu acht jüngeren. Aber wie! Viermal im Jahr geschieht ein Mirakel: Alle trächtigen Weibchen werfen gleichzeitig, am selben Tag. Es sieht nach vollendeter Harmonie aus.

Es hat jedoch einen mörderischen Hintergrund, „policing“: Bei vielen sozial lebenden Tieren monopolisiert ein Weibchen die Reproduktion, das bekannteste Beispiel sind die Bienen. Die Königin legt Eier und Eier, und alle ihre Schwestern legen keine. Sie pflegen die Brut der einen. Manche Forscher halten das für höhere Mathematik – die Schwestern (Arbeiterinnen) verzichten freiwillig auf Fortpflanzung, weil sie damit mehr ihrer Gene (75 Prozent) in die nächste Generation bringen, als würden sie selbst heiraten (50 Prozent). Aber so rechnen die Bienen mit ihrem winzigen Gehirn eher nicht.

Junge retten: Zur rechten Zeit gebären!

Man darf eher vermuten, dass die Königin ihre Schwestern auf chemische Wegen manipuliert. Und man darf sicher sein, dass ein Bienenstaat ein Polizeistaat ist: Manche Arbeiterinnen legen doch Eier, aber sie und ihre Brut werden umgebracht – von der Königin oder ihren Ordnungskräften. Die Selbstmörderinnen haben es doch riskiert, vielleicht wussten sie, was droht, vielleicht nicht. Bei den Mungos wissen sie es. Das hat Michael Cant (Exeter) an wild lebenden Gruppen in Afrika gezeigt. Er hat elf Jahre lang in ihre Reproduktion eingegriffen, mit Antibabypillen: Bei den Mungos monopolisieren die älteren Weibchen die Reproduktion, sie wollen es wenigstens. Und sie tun es auch: Wenn die jüngeren früher gebären als sie selbst, dann beißen sie die Jungen tot, wie das Experiment mit der Pille zeigt. In der Natur gibt es die nicht, dort haben die jüngeren Weibchen gelernt, wie sie ihre Jungen schützen: Sie gebären gleichzeitig mit den älteren, dann können diese nicht unterscheiden, von wem welche Jungen sind (Pnas, 23. 12.).

Und wie ist es bei den Menschen? Sie sind keine Mungos, sondern haben zur Sicherung ihres Sozialen bzw. zum Durchsetzen ihrer Normen Institutionen entwickelt. Oder sie nehmen es selbst in die Hand, durch „altruistisches Strafen“. Das kennt man aus Psychologenlabors, es genügt aber auch eine Fahrt mit der U-Bahn: Wenn da jemand den gegenüberliegenden Sitz mit seinen Schuhen verdreckt, dann weist ihn bisweilen ein anderer zurecht. Das ist erstens riskant – Normverletzer sind oft aggressiv –, und zweitens kostet es Mühe und Zeit und Nerven, ohne dass es irgendetwas zu gewinnen gäbe.

Viele tun es doch, auch in Situationen, in denen es um Leib und Leben geht, und in denen sie lieber die Polizei rufen sollten. Diese ist bei uns die Lösung des Problems der Kooperation und auch das der Trittbrettfahrer: Wir haben uns darauf geeinigt, eine zentrale Autorität einzusetzen, Thomas Hobbes' „Leviathan“, den Staat, der die Ausübung von Gewalt monopolisiert. Aber diese Lösung bringt ein Folgeproblem, der Staat braucht Geld.

Also hebt er Steuern ein. Und die zahlt nicht jeder (gern). Aber darüber schauen die anderen eher hinweg (als über andere Normverletzungen), so wie auch in der U-Bahn der eine Zurechtweisende selten Unterstützung bekommt. Wie lässt sich dieses Problem lösen? Durch Demokratie, das ist die hoffnungsfrohe Botschaft von Manfred Milinski (Plön). Er treibt seit Langem die Erforschung des altruistischen Strafens voran, mit spieltheoretischen Experimenten. Nun hat er wieder in Spielen geklärt, wie man Menschen am ehesten zu Kooperation auch auf der zweiten Ebene beim Steuerzahlen, bringt.

Dazu bekamen die Spieler Geld. Einen Teil sollten sie in einen Topf stecken, der allen zugute kam („public good“). Dann konnten sie wählen: Sie konnten entweder ständig ihre Gruppen wechseln – in denen entweder (a) freiwillig oder (b) verbindlich Geld in das Gemeinwohl zu fließen hatte –, oder sie konnten sich einer Gruppe anschließen und sich deren Mehrheitsentscheidung unterwerfen. Ging die ganz demokratisch dahin, dass Steuern bezahlt werden, wurden sie auch bezahlt (überwiegend). Wer hingegen die Gruppen wechseln konnte, tendierte leichter zum Trittbrettfahren (Pnas, 23. 12.).

Outsourcing: Gott, straf du für uns!

„Durch die Mehrheitsentscheidung können Individuen einander binden“, erklärt Milinski: „Demokratie veranlasst Individuen, sich zu verpflichten und Entscheidungen zu treffen, die dem Nutzen aller dienen.“ Aber es gibt natürlich noch eine Autorität, die im Himmel – auch die überwacht. Der Christengott etwa wird symbolisiert durch ein Auge, das alles sieht und Allmacht hinter sich hat. An diesen Gott wird ausgesourct, das hat früher schon ein Experiment von Kristin Laurin gezeigt (Proc. Roy. Soc. B, 29. 5. 2012). Gläubige befürworten für Normabweichler härtere Strafen, nehmen sie aber lieber nicht selbst in die Hand. Sie überlassen das Gott. Und der bzw. die irdischen Ordnungshüter soll/en es schon um Gottes Lohn tun, höhere Steuern wollen auch die Gläubigen nicht.

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