Zugang zu Schusswaffen erhöht Selbstmordrate

(c) REUTERS (JORGE DAN LOPEZ)
  • Drucken

Privater Waffenbesitz beeinflusst die Häufigkeit von Selbstmorden wie von Morden signifikant. Das ergab eine Metastudie, für die allerdings hauptsächlich Studien aus den USA ausgewertet wurden.

Wer Zugang zu einer Schusswaffe hat, verübt dreimal so wahrscheinlich Selbstmord wie jemand, der keine Waffe parat hat. Und eine Schusswaffe im Haus erhöht das Risiko, zum Mordopfer zu werden, auf das Doppelte. Diese Ergebnisse einer soeben in den „Annals Of Internal Medicine“ publizierten Metastudie dürften in den USA die alte Debatte über privaten Waffenbesitz wieder einmal anfachen. Das Recht darauf ist ja in den USA verfassungsrechtlich geschützt.

Auffällig seien starke Unterschiede zwischen den Geschlechtern, schreiben die Forscher in einer Aussendung der University of California in San Francisco: Bei Männern erhöhe das Gewehr im Haus die Selbstmordrate auf das Vierfache, bei Frauen steige dadurch die Wahrscheinlichkeit, zum Mordopfer zu werden, auf das Dreifache. Sowohl Selbstmorde als auch Morde würden eben zu 75 Prozent im eigenen Heim verübt.

„Eine Waffe aufzubewahren gefährdet nicht nur die Bewohner des Hauses, sondern bringt auch substanzielle Kosten für die Allgemeinheit“, schreibt der Herausgeber der „Annals“, und er erinnert an den Amoklauf an der Sandy Hook Elementary School im Dezember 2012, bei dem ein 20-Jähriger mit Schusswaffen aus dem legalen Besitz seiner Mutter 28 Menschen und sich selbst tötete.

Für die Metaanalyse wurden 15 bereits publizierte Studien systematisch ausgewertet und verglichen, von denen allerdings 13 aus den USA sind. Die einzige Studie, die keinen statistisch signifikanten Zusammenhang zwischen der Mord- und Selbstmordrate und dem Zugang zu Schusswaffen ergab, ist aus Neuseeland. Das liege daran, dass es dort – wie auch in Europa – viel schwieriger als in den USA sei, Waffen für den Privatbesitz zu erwerben, meinen die Forscher.

Warum so viele Morde in den USA?

Ein Vergleich der USA mit anderen westlichen Ländern wird auch dadurch erschwert, dass Morde in den USA viel häufiger sind als etwa in England: circa siebenmal so häufig, und zwar über ein Jahrhundert hinweg. Der Psychologe Steven Pinker, der das in seinem gewichtigen Buch „Gewalt“ berichtet, legte Wert darauf, dass dieser erstaunliche Unterschied nicht nur auf den Privatbesitz an Schusswaffen zurückzuführen ist. „Es liegt nicht nur daran, dass die Amerikaner so schusswaffenversessen sind“, schrieb er. „Selbst wenn man alle Morde mit Feuerwaffen abzieht und nur diejenigen mit Seilen, Messern, Bleirohren, Schraubschlüsseln, Kerzenständern und so weiter zählt, begehen Amerikaner dieses Verbrechen immer noch häufiger als Europäer.“

Pinkers Erklärung dafür: In den USA habe sich das Gewaltmonopol des Staates nie so durchgesetzt wie in Europa. Das gelte aber nicht gleichermaßen für die gesamten USA, sondern viel mehr für den Süden. „Die zivilisierende Mission der Regierung hat den amerikanischen Süden nie so tief durchdrungen wie den Nordosten, von Europa ganz zu schweigen.“ In diesem Sinn dürfte es interessant sein, die Metastudie auf solche regionalen Unterschiede hin zu lesen. (tk)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.01.2014)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.