Der Überlebensstoff Phosphor

Feldarbeit
FeldarbeitDie Presse
  • Drucken

Weltweit macht sich ein zunehmender Mangel an Phosphor in der Landwirtschaft bemerkbar, der die möglichen Erntemengen reduziert und damit die Ernährungssicherheit gefährdet.

In seiner weißen Modifikation ist Phosphor eine hochgiftige Substanz. Dennoch ist dieses chemische Element für jegliches Leben unentbehrlich. Phosphatgruppen sind z.B. Bestandteil der Erbsubstanz oder der Zellmembrane. Folglich ist Phosphor (neben Stickstoff) auch eines der wichtigsten Düngemittel in der Nahrungsmittelproduktion.

Laut dem Minimumgesetz, das Justus von Liebig ab 1840 bekannt gemacht hat, wird das Wachstum von Pflanzen durch die im Verhältnis knappste Ressource (Nährstoffe, Wasser, Licht etc.) begrenzt. Diese Erkenntnis hat geholfen, die wachsende Menschheit zu ernähren – vor allem seit der Erfindung der Ammoniaksynthese, durch die Luftstickstoff in eine für Pflanzen verwertbare Form gebracht werden kann. Damit war ein große Mangel beseitigt: Die synthetischen Stickstoffdüngemittel waren mitverantwortlich für die „Grüne Revolution“, durch die die wachsende Menschheit in den vergangenen Jahrzehnten ernährt werden konnte.

Stickstoff ist also nicht mehr das große Problem – dafür wurde Phosphor zum kritischen Mangelfaktor, der laut Minimumgesetz die erzielbaren Erntemengen beschränkt (während die Bevölkerung weiter wächst). Phosphatdünger lässt sich nicht künstlich herstellen. Die zu früheren Zeiten intensiv genutzten Guanovorräte – eine Mischung aus Vogelexkrementen und Kalkstein – spielen heute keine große Rolle mehr, die größten Phosphatmengen werden in Bergwerken in China, Marokko oder den USA abgebaut.


Zehn Prozent weniger Ernte. Die Vorräte sind indes begrenzt, manche Experten schätzen, dass sie noch einige 100 Jahre reichen könnten, andere sehen – ähnlich wie bei fossilen Brennstoffen – schon bald einen „Peak“ bei der Produktion. Wie dem auch sei: Faktum ist, dass weltweit bei Weitem zu wenig Phosphordünger auf die Felder kommt. Das betrifft vor allem die Entwicklungsländer, in denen die Bauern wegen der schlechten Infrastruktur und der mangelhaften Einbindung in den Welthandel kaum Zugang zu Dünger haben – wenn sie ihn sich überhaupt leisten könnten. Knappheit äußert sich zuerst in Preissteigerungen.

Eine Forschergruppe um Marijn van der Velde, der kürzlich vom Institut für angewandte Systemanalyse (IIASA) in Laxenburg zum EU-Forschungszentrum in Ispra gewechselt ist, hat das am Beispiel von Afrika studiert: Demnach ist durch den Phosphatmangel die aktuelle Erntemenge um zehn Prozent niedriger, als sie bei ausgewogener Nährstoffversorgung sein könnte. Auch in Afrika hat sich im vergangenen Jahrzehnt die Stickstoffdüngung verbessert – Phosphor hat damit aber nicht Schritt gehalten. Um das gesamte Potenzial der Stickstoffdüngung nutzen zu können, müssten sich die Phosphormengen mehr als verdoppeln (Global Change Biology, 28.1.).

Eine andere Zahl: Wenn die Stickstoffdüngung auf Afrikas Feldern auf jene Werte angehoben werden könnten, die für das Pflanzenwachstum optimal wären – das entspräche, abhängig von Boden, Pflanzenarten und Klima, im Schnitt einer Verfünffachung –, dann müsste die Phosphatdüngung fast verzwölffacht werden.

Solche Steigerungen klingen angesichts der erwarteten Phosphorknappheit ziemlich utopisch, daher verfolgen viele Forscher weltweit eine andere Strategie: das Recyceln von Phosphor. An der TU Wien und der Montan-Uni Leoben werden beispielsweise Verfahren entwickelt und erprobt, um Phosphat aus Rückständen aus Kläranlagen wiederzugewinnen (und dabei Schwermetallbelastungen loszuwerden). Derzeit gehen riesige Phosphatmengen im gesellschaftlichen Stoffkreislauf verloren und belasten am Ende die Umwelt (Stichwort: Algenblüten im Meer).

Das zu verbessern, ist auch das Anliegen des neuen EU-Projekts „Improve-P“, an dem u.a. Forscher des Instituts für Ökologischen Landbau an der Boku in Wien beteiligt sind. Neben der Erschließung neuer Phosphorquellen wird dort zudem untersucht, wie man die Effizienz der Phosphordüngung steigern könnte – etwa durch Zwischenfrüchte oder durch phosphatmobilisierende Bakterien.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.02.2014)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.