Die Macht der Augen signalisiert: Dieses Nest ist besetzt!

Dohlen
Dohlen(c) ORF (Schweiger/Arendt)
  • Drucken

Dohlen streiten nicht um Brutplätze, wenn sie dort Augen sehen. Im gesamten Tierreich wird auf die Augen von Raubtieren geachtet.

Augen sehen nicht nur, Augen werden auch gesehen, sie sind ein starkes Mittel zur Kommunikation und sozialen Kontrolle. Wer sich nicht beobachtet weiß, verhält sich anders, das ist nicht nur bei Menschen so, sondern auch bei Putzerfischen: Die putzen ihre Klienten brav, solange weitere potenzielle Klienten zusehen. Sind keine da, putzen sie nicht, sondern beißen Stücke aus der Haut.
Deshalb sorgen viele Kulturen dafür, dass immer Augen da sind: Mit Augen bewehrte Totempfähle der Indianer sorgen für die Einhaltung der Normen im Dorf, und bei den Christen wird der ganze Gott als Auge dargestellt, er sieht alles. Natürlich auch die Kaffeekasse in einer US-Universität: Als sie mit Augen verziert wurde, kam dreimal so viel Geld herein wie bei Blümchen. Augen sehen also, Augen können auch weisen, etwa einem Hund: Es gibt die Vermutung, dass der Mensch deshalb das Weiße in den Augen hat, man sieht die Augenbewegung dann besser, bei Affen sind die Augen dunkel.

„Farbe der Iris vermeidet Konflikt“


Signale geben sie doch: Im gesamten Tierreich wird auf die Augen – von Raubtieren – geachtet, sie jagen Angst ein. Und viele Tieren achten auch auf die Augen von Artgenossen, in ihnen dokumentiert sich Macht – der Schwächere weicht dem Blick des Stärkeren aus –, in ihnen zeigen sich Besitzansprüche. All das kennt man schon von Säugetieren, nun hat es Gabrielle Davidson (Cambridge) erstmals an Vögeln erkundet, an Dohlen. Die haben noch mehr Weißes in den Augen als Menschen, und sie brüten gern in Höhlen. Die sind rar und umkämpft, und wer eine hat, untermauert seinen Besitz zunächst mit den Augen: Davidson zeigte Dohlen ein Vogelhaus, in dessen Einflugloch der Reihe nach vier verschiedene Dinge zu sehen waren: Dohlenaugen, Dohlengesichter mit Augen, Dohlengesichter mit eingeschwärzten Augen und, zur Kontrolle, einfach schwarze Löcher.

Am stärksten wirkte das ganze Gesicht mit dem Weißen im Auge – wer es sah, flog gleich wieder ab –, aber auch die Augen allein verkürzten die Aufenthaltsdauer von Nestsuchenden (Biology Letters, 4. 2.). „Die Farbe der Iris vermeidet Konflikte“, schließt Davidson, und das gilt nicht nur gegenüber Artgenossen: Dohlen verzögern den Anflug auf Futter, wenn sie dort die Augen eines (ihnen unbekannten) Menschen sehen.  (jl)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.02.2014)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.