Methode Regenschirm

Die Brücke kann auf geringem Platz errichtet werden: Die Montage erfolgt in vertikaler Lage, dann wird sie ausgeklappt.
Die Brücke kann auf geringem Platz errichtet werden: Die Montage erfolgt in vertikaler Lage, dann wird sie ausgeklappt.Rudolf Brandstötter/TU Wien
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An der TU Wien wurde die Konstruktion einer Klappbrücke entwickelt und patentiert. Das Bauverfahren erhielt jetzt eine internationale Prämierung.

Es ist fast wie bei einem Regenschirm: Eine Brücke wird in vertikaler Lage wie ein zusammengeklappter Regenschirm gebaut, das Tragwerk samt den Betonflächen. Dann wird der Regenschirmentfaltet, seine Konstruktion ist zugleich das Tragwerk der nun errichteten Brücke. Was so einfach, für manche auch eher kurios klingen mag, ist in Europa, in den USA und Kanada, in Japan wie auch in China als österreichisches Patent angemeldet. Diese an der TU Wien von Johann Kollegger, Professor für Betonbau, und seinem Team entwickelte Bauvariante erhielt in der Vorwoche in Bombay (Mumbai), Indien, bei der Tagung der Internationalen Betonbauvereinigung FIB (Fédération Internationale du Béton) einen der beiden FIB-Awards des Jahres 2014 (der zweite ging nach Frankreich). „Mehrere Länder haben bei diesem Kongress großes Interesse an unserem Patent gezeigt“, berichtet Kollegger.

Die Initialzündung setzte Susanne Gmainer, die diese Idee bei ihrer Diplomarbeit verfolgte. „Das Thema war einfach spannend, und Professor Kollegger hat mich dazu ermuntert“, sagt Gmainer. 2007 lag die Diplomarbeit vor, dann begannen ihre Assistentenjahre am TU-Institut für Tragkonstruktionen. Die Dissertation folgte 2011, und da wurde die Stadt Wien auf die junge Wissenschaftlerin aufmerksam. Sie sollte eine Machbarkeitsstudie für eine Klappbrücke erstellen, die Fußgängern und Radfahrern den Übergang, aber auch Schiffen die Durchfahrt ermöglichen sollte. Die also immer wieder aus der ruhenden Position aufgeklappt werden sollte. „Sie könnte zehntausendmal geöffnet und gesenkt werden“, sagt Kollegger zur Funktion der Hubbrücke. Geplant war die Brücke im Wiener Abschnitt der Lobau.

Den Klappvorgang der Brücke hatte Susanne Gmainer schon in ihrer Diplomarbeit entwickelt: Mithilfe von Wassertanks und einer Verlagerung der Druckverhältnisse sollte der Senk- und Hebevorgang erfolgen. Der kritische Punkt dabei war das Eigengewicht der Brücke, das beim Niederlassen der Konstruktion zu wirken beginnt. „Die Hubkraft geht vom negativen in den positiven Wert über“, sagt die junge Forscherin. Die Lobauer Brücke sollte eine Spannweite von 66 Metern und eine Breite von 4,5 Metern aufweisen.


Leichtbau.
Für die Brückenträger wählte Gmainer eine fachwerkartige Stahlkonstruktion. Der Pylon mit einer Höhe von 36 Metern wurde mit Beton geplant. Um das Gewicht für den Klappmechanismus möglichst gering zu halten, sollte die Fahrbahn aus einer Leichtkonstruktion mit einem Faserverbundstoff bestehen. Einige hundert Liter in den Wassertanks reichen daher aus, um die Fahrbahnen zu klappen.

Ein Modellversuch, der im Maßstab 1:5 auf dem TU-Gelände Arsenal errichtet wurde, verlief äußerst positiv. Allerdings legte die Stadt Wien nach Schwierigkeiten, die sich aus dem Genehmigungsverfahren ergaben, das Lobauer Projekt ad acta. Die im weiteren Verlauf von der FFG geförderten Entwicklungen erregten jetzt das Interesse des Autobahn- und Schnellstraßenbetreibers Asfinag, der eine möglichst umweltschonende Errichtung von vier Brücken im Zuge der Fürstenfelder Schnellstraße S7 (ein Verbindungsstück vom Großraum Graz nach Budapest) verwirklichen wollte. Bei zwei Überquerungen im Feuchtgebiet des Lafnitztales, eines Natura-2000-Schutzgebiets, ist es nicht gestattet, aufwendige Verschalungskonstruktionen für den Brückenbau zu errichten.

In diesem Fall erweist sich die Klappbrücke als geeignete Bauweise. Die Montage erfolgt ohne großräumigen Bauplatz in vertikaler Lage, die einzelnen Elemente können mittels Fertigbauweise eingehängt werden. Dann wird die Konstruktion in die künftige – dauerhafte – Position gesenkt. Auf dem Gelände der Firma Oberndorfer in Gars am Kamp ergab sich die Möglichkeit eines Großversuches im Maßstab 1:1. Gerade das Brückenfeld musste gemäß der Größe des Areals um 30 Prozent verkleinert werden. Mit einem Mobilkran konnten die 20,8 Tonnen schweren Brückenpfeiler abgesenkt werden. Für die Knotenverbindungen wurden Betongelenke, die im Vergleich zu Stahllagern billiger und leichter herzustellen sind, entwickelt. In einem FFG-Projekt wurden extra die Knotenpunkte, in denen das Abwälzen während des Klappvorganges stattfindet, getestet.

Im Forschungsteam der TU Wien entwickelte Assistent David Wimmer die Herstellung von trogförmigen Halbfertigteilträgern unter Verwendung von Elementdecken bzw. Doppelwandelementen. Im Vergleich zu konventionellen Spannbetonträgern weisen die trogförmigen Betonfertigteile den Vorteil auf, bei ähnlicher Tragfähigkeit bedeutend leichter zu sein. Im Herbst 2014 wird der Abschluss der Umweltverträglichkeitsprüfung für die S7 erwartet, dann soll zügig die Fertigstellung erfolgen. Professor Kollegger rechnet damit, dass nach Fertigstellung dieser ersten Referenzbauwerke das internationale Interesse enorm zunehmen wird. Nach dem gegenwärtigen Konstruktionsstand kann die Spannweite 50 bis 250 Meter betragen.

DIE KLAPPBRÜCKE

Award für Wien. Beim Kongress der FIB (Fédération Internationale du Betón) vom 10. bis 14. Februar 2014
in Bombay (Mumbai) konnte Johann Kollegger, Vorstand des Instituts für Tragkonstruktionen der TU Wien, den FIB-Award für den Brückenbau entgegennehmen. In seinem TU-Team hatte Susanne Gmainer das Klappverfahren für den Brückenbau entwickelt und dafür 2012 den Ernst-Fehrer-Forschungspreis erhalten.

Der Großversuch einer Klappbrücke in Gars am Kamp wurde von der FFG, Asfinag, ÖBB-Infrastruktur und den Beton- und Fertigteilwerken finanziert.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.02.2014)

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