Biologie: Als die Menschen schwarz wurden

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Hat die Evolution die Hautfarbe aus guten Gründen variiert? Das ist umstritten. Aber die dunkle Haut der ersten Ahnen war ein guter Schutz vor frühem Tod durch Krebs.

Das äußerlichste Merkmal der Menschen, die Farbe ihrer Haut, ist auch das umstrittenste, zumindest seit Rassisten aller Couleurs aus der Farbe kurze Schlüsse auf intellektuelle Leistungsfähigkeit und moralische Integrität ziehen wollten, das begann Ende des 18. Jahrhunderts. Vielleicht deshalb hat ausgerechnet Darwin ausgerechnet in der Hautfarbe kein Produkt der Anpassung an Umwelten sehen wollen, Jared Diamond ist ihm später gefolgt (Discover, November 1994): Die Farben seien entweder durch Zufall gekommen, so wie die Rillen in unseren Fingerkuppen, oder es stünden regionale Vorlieben bzw. davon geleitete sexuelle Selektion dahinter, so wie es etwa bei der Größe der Brüste und Hinterteile ist.

Das wäre allerdings verwunderlich, vieles an unserer Haut ist erklärungsbedürftig, zunächst einmal der Umstand, dass unsere Ahnen nackte Affen wurden (ja, Desmond Morris), die die Felle ablegten, bis auf Reste, vor allem auf dem Kopf und der Scham. Dazu gibt es viele Hypothesen, oft wunderliche – die Enthaarung habe dem Schutz vor Fellparasiten gedient, gar dem vor Feuer –, vermutlich ging es um Kühlung: Die schwindenden Haarwurzeln wurden durch Schweißdrüsen ersetzt, als unsere Ahnen von den Bäumen herab und aus den Wäldern heraus in die Savannen kamen, da knallt die Sonne, vor allem auf den Kopf, deshalb blieben dort schützende Haare, das UV im Sonnenlicht beschädigt DNA, bringt Tumore.

Und wie sah die Haut aus, als sie am restlichen Körper zum Vorschein kam? Auch das weiß niemand, man darf aber vermuten, dass die Haut hell war, weiß. Eine solche Farbe haben Schimpansen unter ihrem Fell, und bei den Jungen sind auch unbehaarte Körperteile wie die Hände hell. Unsere weiße Haut – deretwegen die Anthropologie uns „Kaukasier“ nennt –, haben wir natürlich nicht von diesen ersten Ahnen, die wurden zunächst schwarz, in Afrika, später erwanderten sie Eurasien, dort wurden sie wieder hell.

Warum hell? Warum dunkel?


Auch dafür gibt es Hypothesen, vor allem die, beim Aufhellen und damit beim Hereinlassen von Sonnenlicht sei es um Vitamin D gegangen bzw. um Rachitis. Vitamin D wird in unserer Haut unter dem Einfluss von Sonnenlicht synthetisiert, man braucht es etwa für den Aufbau der Knochen, im Extremfall droht Rachitis. Die allerdings wütete erst in den lichtlosen Mietskasernen des 19. Jahrhunderts, zudem ist Vitamin D in vielen Lebensmitteln, vor allem in Fisch. Und: Helle Haut hat einen Preis. Sonnenlicht zerstört auch etwas, was für die Entwicklung wichtig ist, Folsäure. Davor schützt wieder Eumelanin – das ist das Pigment, das die Haut dunkel färbt – bzw. das dafür zuständige Gen, MC1R. Von dem gibt es in Schwarzafrikanern nur eine Variante, bei Europäern – wir haben dieses Pigment auch, neben unserem hellen Pheomelanin – sind es viele, bei Schimpansen auch: Irgendetwas muss also in Afrika auf die eine Variante selektiert haben, und zwar vor etwa 1,2 Millionen Jahren, so alt ist die afrikanische Version. Ganz grob geht das zusammen mit dem ersten Ahnen, der auf Dauer aufrecht ging, Homo erectus vor 1,8 Millionen Jahren.

Warum wurde er nun endlich schwarz? Vor dem „Versengen durch die Sonne“ habe er sich geschützt, postulierte früh schon Everard Home (Phil. Trans. Roy. Soc. 1. 1. 1821). Und was bringt das Versengen? Krebs! Aber damit fanden Home und die, die ihn später aufnahmen, wenig Beifall: Die Evolution setzt im reproduktionsfähigen Alter an, Krebs kommt später, oft.

Aber nicht immer, tödliche Hautkrebse kommen früh.
Und sie schlagen zu, auch heute, bei weißen Schwarzafrikanern, Albinos. Es gibt relativ viele – jede/r Fünftausendste ist es, bei uns jede/r Zwanzigtausendste –, und sie werden nicht alt, Mel Greaves (Institute of Cancer Research, London) hat die Statistiken ausgewertet: Über 80 Prozent der Albinos in Ländern des äquatorialen Afrika sterben vor dem dreißigsten Jahr, an Hautkrebsen (Proc. Roy. Soc. B, 26. 2.). „Auch wenn Darwin meinte, die Hautfarben hätten nichts mit Anpassung zu tun, sprechen die heutigen klinischen Daten doch stark dafür, dass Krebs in der frühen Geschichte ein wichtiger Faktor bei der Entwicklung dunkler Haut war“, schließt Greaves.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.02.2014)

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