Wie Albert Einstein gegen den Urknall stritt

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In einem bisher unveröffentlichten Manuskript aus dem Jahr 1931 vertrat der Vater der Relativitätstheorie die Ansicht, dass im Universum ständig neue Materie entsteht. Aber er hatte sich verrechnet.

Das Universum dehnt sich aus, alle Galaxien bewegen sich voneinander fort: Diese Erkenntnis Edwin Hubbles im Jahr 1929 revolutionierte unser Weltbild. Die nächste Revolution fand Ende der Neunzigerjahre statt: Seit damals glauben die meisten Kosmologen, dass sich das Universum nicht nur ausdehnt, sondern immer schneller ausdehnt.

Es war der Theologe und Physiker Georges Lemaître, der 1931 einen naheliegenden Schluss zog: Wenn sich das Universum beständig ausdehnt und keine Materie dazukommt, verliert es immer mehr an Dichte. Umgekehrt war es früher dichter als heute. Extrapoliert man zurück, kommt man zu einem Zeitpunkt, wo es die größtmögliche Dichte hatte: Lemaître sprach vom Uratom. Heute sagen wir Urknall bzw. auf Englisch Big Bang. Dieses Wort war anfangs spöttisch gemeint, Fred Hoyle prägte es. Er mochte die Urknalltheorie nicht und entwickelte in den späten Vierzigern eine Alternative: die Steady-State-Theorie. Dieser zufolge expandiert das Universum zwar, seine Dichte bleibt aber konstant. Logische Folgerung: Es muss immer neue Materie entstehen. Das glaubt heute kaum mehr einer.

Doch Einstein liebäugelte damit. Das entdeckte der Physiker Cormac O'Raifeartaigh in den „Albert Einstein Archives“ der Uni Jerusalem: Er las ein unveröffentlichtes Manuskript Albert Einsteins, entstanden 1931 auf einer Reise nach Kalifornien, mit dem Titel „Zum kosmologischen Problem“. Bisher hatte man es für einen Entwurf für den sehr wohl publizierten Artikel „Zum kosmologischen Problem der allgemeinen Relativitätstheorie“ gehalten. Nun fand O'Raifeartaigh: Es enthält andere Gedanken. Vor allem den, dass die Dichte des Universums konstant bleibt, weil ständig neue Teilchen entstehen. So nahm Einstein die Steady-State-Theorie voraus.

Er glaubte an ein statisches Universum

Einstein ging von einem Problem aus, das ihn schon lange plagte: Die von ihm 1915 vollendete allgemeine Relativitätstheorie erlaubt zunächst keine statische Lösung für das Universum. Da Einstein aber nicht glaubte, dass das Universum sich ausdehnt – oder zusammenzieht –, führte er eine „kosmologische Konstante“ λ in seine Gleichungen ein, durch die ein statisches Universum möglich wurde. Als er 1929 von der Expansion des Universums erfuhr, verwarf er die Konstante als „Komplikation, die die logische Einfachheit der Theorie beeinträchtigt“, nannte sie angeblich „die größte Eselei meines Lebens“. Die Konstante ist längst wieder da, heute wird sie als Energiedichte des Vakuums interpretiert – und als Grund für die beschleunigte Expansion des Universums.

Wie kam Einstein auf die Aussage, dass die Dichte konstant sei? Offenbar durch einen Rechenfehler, den er selbst noch an einer Stelle korrigierte – die Zahl 9 durch 3 ersetzte –, bevor er das Manuskript beiseitelegte. Wohl, weil er erkannte, dass ohne den Fehler ein triviales Ergebnis herausgekommen wäre: dass die Dichte gleich null ist. Damit ist der zentrale Satz der Arbeit hinfällig: „Die Dichte ist also konstant und bestimmt die Expansion bis auf das Vorzeichen.“ Und auch die abschließende Erklärung Einsteins: „Der Erhaltungssatz bleibt dadurch gewahrt, dass bei Setzung des λ-Gliedes der Raum selbst nicht energetisch leer ist.“

Das nur vierseitige Manuskript bezeugt zweierlei: dass auch große Köpfe sich schlicht verrechnen können. Und dass auch Genies wie Einstein ihren Vorurteilen treu bleiben. Die Idee, dass das Universum nicht im Wesentlichen gleich bleibt, war ihm einfach über Jahrzehnte zuwider. Ähnlich wie die Konsequenzen der Quantentheorie.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.02.2014)

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