Das kooperative Geschlecht? Das männliche!

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Frauen gelten als freundlicher und hilfsbereiter, auch und vor allem im Umgang mit anderen Frauen. Aber wenn sie an Positionen der Macht sind, verhalten sie sich ganz anders. Sie halten andere Frauen eher unten.

Dass Frauen auf dem Weg nach oben an gläserne Decken stoßen, wird damit erklärt, dass Seilschaften von Männern einmal besetzte Positionen untereinander weiterreichen. Daran mag schon viel sein. Aber die ganze Wahrheit ist es nicht, weder über Männer noch über Frauen bzw. das unterschiedliche Verhalten der Geschlechter. Dass es das gibt, sieht man etwa, wenn man nach der Tagesarbeit noch auf einen Schluck zum Entspannen geht. Andere tun das auch: Männer kommen in Gruppen, oft das halbe Büro vom Chef abwärts, Frauen kommen zu zweit. Das passt nicht gut zum Bild vom Mann als einsamem Jäger, der mit anderen Männern um Macht kämpft und um Frauen bzw. deren Gunst. Und es passt nicht gut zum Gegenbild von Frauen, die umgänglicher und hilfsbereiter sind, vor allem gegenüber anderen Frauen.

Das Bild bekam 1965 einen Riss, als Anatol Rapoport Probanden das „Gefangenendilemma“ spielen ließ. Es hat zwei Spieler und bringt die Bereitschaft zur Kooperation ans Licht. Rapoport ließ Männer gegen Männer spielen, Frauen gegen Frauen und beide gegeneinander: Der höchste Kooperationsgrad zeigte sich in Mann/Mann-Dyaden, es folgten die gemischtgeschlechtlichen, am Ende rangierten die Frau/Frau-Dyaden.

Das machte Aufsehen, erklären konnte man es nicht, vielleicht lag es an der künstlichen Situation im Labor. Das Interesse schlief ein, 1993 kam der nächste Vorstoß: Der Evolutionsbiologin und Psychologin Joyce Benenson (Harvard) war aufgefallen, dass die Geschlechter sich schon als Kinder ganz anders verhalten, Mädchen spielen allein oder tun sich mit besten Freundinnen zusammen, Burschen bevorzugen Mannschaftssport oder spielerische Kampfverbände. Ähnliches hatte ein Kollege von Benenson, der Anthropologe Richard Wrangham (Harvard), auch schon beobachtet, an Schimpansen. Die leben sozial, die Weibchen zurückgezogen mit ihren Jungen, die Männchen in hoher Aggression untereinander. Aber sie bilden gruppenintern auch Koalitionen, und wenn es nach außen geht, gegen Nachbarn, stehen alle zusammen, ganz ähnlich wieder wie in Jugendgangs.

Denn auch der Mächtigste ist nie stark genug gegen die ganze andere Gang, er muss sich Verbündete suchen und pflegen. Schimpansenweibchen hingegen bilden selten Koalitionen, und wenn, dann kurz und um Rangniedere zu attackieren. Darauf, auf das Ausschließen Dritter, verstehen sich auch Frauen besser als Männer, sie fürchten es mehr, und sie praktizieren es mehr, vor allem dann, wenn sie in Positionen der Macht sind.

Geschlecht und Rang spielen zusammen

Das haben Benenson und Wrangham im Vorjahr gezeigt (PLoS One, e55851), aber wieder in Experimenten. Wie spielen im echten Leben das Geschlecht und der soziale Rang zusammen? Die beiden haben lange Daten gesucht, im Militär, in der Wirtschaft, in Bürokratien, fündig wurden sie schließlich an den Universitäten der USA, und dort just an den Psychologischen Fakultäten, in denen immerhin 36 Prozent der höchsten Posten („senior professor“) mit Frauen besetzt sind.

Deren Namen stehen dann auch auf den publizierten Forschungsarbeiten, oft als Erstautoren, sie regen die Experimente an; ausgeführt werden sie von der zweiten Ebene („assistant professor“), die Namen stehen natürlich auch da, oft als Ko-Autoren. Das brachte Benenson/Wrangham auf die Idee, auszuzählen, wer mit wem publiziert, sie haben für das ganze Feld die Jahre 2008 bis 2011 ausgewertet und 8400 Arbeiten gefunden, für die je zwei „seniors“ und zwei „assistants“ zeichneten: War der Erstautor ein „senior“ und der Ko-Autor auch – das gibt es durchaus –, war das Geschlechterverhältnis ausgewogen, auf der gleichen Ebene gibt es keine Probleme.

Aber zwischen den Ebenen gibt es sie, und zwar bei den Frauen: Wenn sie „senior“ und Erstautoren sind, sind unter den „assistants“ als Ko-Autoren Frauen stark unterrepräsentiert; Männer hingegen helfen beiden Geschlechtern hinauf (Current Biology, 3.3.). „Im Alltagsleben denken wir oft, dass Frauen kooperativer und freundlicher untereinander sind, aber das ist nicht wahr, wenn Hierarchien ins Spiel kommen“, erklärt Benenson: „Menschen sind oft sehr verärgert, wenn sie hören, dass es Geschlechtsunterschiede im Verhalten gibt. Aber je mehr wir wissen, desto einfacher können wir Fairness fördern.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.03.2014)

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