Hoffnung auf Linderung beim Downsyndrom?

(c) EPA (ARMANDO BABANI)
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Gleich zwei Substanzen, die die Aktivitäten von Gehirnzellen anregen sollen, gehen im Frühjahr in klinische Tests. Allerdings ist ungewiss, ob fertigen Gehirnen geholfen werden kann. Deshalb sucht man auch nach Möglichkeiten, früher einzugreifen.

„Wenn das Kind nur auf einem Niveau existiert, das kaum menschlich ist, ist es für die anderen Kinder und die Eltern besser, wenn irgendwo anders für das Kind gesorgt wird.“ Das erklärte Benjamin Spock, einer der einflussreichsten Kinderärzte des 20.Jahrhunderts – sein Buch „Baby and Child Care“ verkaufte sich über 60 Millionen Mal – im Jahr 1946, er meinte Kinder, deren Krankheit man damals allmählich Downsyndrom nannte, nach John Langdon-Down. Der hatte das Leiden 1866 beschrieben („Observations on an ethnic classification of idiots“), er ordnete Krankheiten Völkerschaften zu, und diese Krankheit den Mongolen. Auch er war Arzt, leitete ein Heim geistig Behinderter.

In solche Heime wollte dann noch Spock die Menschen abschieben, die mit Trisomie 21 geboren werden, sie ist die Ursache des Downsyndroms: Dabei ist das Chromosom 21 in jeder Zelle nicht in zwei Kopien, sondern in drei. Derart falsche Zahlen gibt es bei allen Chromosomen, bei den meisten sterben schon die Embryos sehr früh. Kinder mit Trisomie 21 kommen zur Welt, aber zur Zeit Spocks blieben sie nicht lange, viele starben, bevor sie Teenager wurden. Das hat sich geändert, heute liegt die Lebenserwartung bei 60 Jahren. Geändert haben sich aber vor allem die gesellschaftliche Sicht und Akzeptanz.

Der Andrang bei Brian Slotko (Massachusetts General Hospital) ist trotzdem groß: Er beginnt im Frühjahr mit klinischen Tests von zwei Substanzen, die die kognitiven Folgen der Trisomie 21 lindern sollen (Science, 343, S.964): Eine heißt ELND005 (auch: Scyllo-inositol), sie wurde gegen Alzheimer entwickelt, soll dort Ablagerungen (β-amyloid-plaques) minimieren. Die gibt es auch beim Downsyndrom, 75Prozent entwickeln in ihren 40ern ähnliche Symptome wie bei Alzheimer, deshalb der Test von ELND005. Auch der zweite Ansatz richtet sich gegen etwas, von dem beim Downsyndrom zu viel im Gehirn ist, den Neurotransmitter GABA. Der dämpft die Aktivitäten der Neuronen, deshalb erhofft man Besserung von einer GABA-Blockade. An Tiermodellen haben sich manche Substanzen bewährt, aber die sind giftig, deshalb hat die Pharmafirma Hoffmann-LaRoche einen GABA-Blockierer, den sie ganz generell gegen kognitive Schwächen entwickelt hat, nun für klinische Tests beim Downsyndrom freigegeben.

Überzähliges Chromosom ausschalten?

Allerdings gab es mit anderen Substanzen schon völlige Fehlschläge, daher die Sorge, dass späte Eingriffe in das Gehirn zu spät kommen: Gehirne von Erwachsenen mit Downsyndrom sind 20Prozent kleiner. Man müsste also früh in der Entwicklung ansetzen, und Roger Reeves (Johns Hopkins, Baltimore) versucht das an Mäusen, es gibt Modelle für das Downsyndrom. Am Tage der Geburt hat er einen Wachstumsfaktor – Sonic Hedgehog – injiziert, in das Gehirn und dort in das Cerebellum, da sitzen Aufmerksamkeit und Lernen. Die eine Dosis genügte, die Hirnregion entwickelte sich zu normaler Größe, die Lerndefizite waren geringer.

Bei Mäusen. Reeves weiß, dass der Weg zu Menschen weit ist, deshalb will er erst einmal erkunden, warum Hirnzellen bei Trisomie 21 schlechter wachsen: Dazu will er in Stammzellen mit den drei Chromosomensätzen einen ausschalten. Exakt das wäre natürlich der Königsweg: Jeanne Lawrence (University of Massachusetts) hat ihn eröffnet, an Stammzellen, die von Menschen mit Downsyndrom gespendet wurden. Denen hat sie XIST injiziert, das heißt „X inactive specific transcript“ und ist eine RNA, die von der Natur entwickelt wurde. Sie dient dazu, ein ganzes Chromosom stillzustellen: das X-Chromosom, von dem haben Frauen zwei, eines zu viel (Männer haben X und Y). Es gelang, damit auch eines der drei Chromosomen 21 stillzustellen. Aber ob sich das je zu einer Therapie ausbauen lässt, ist ungewiss.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.03.2014)

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