Gabonionta: Die ältesten Fossilien sind in Wien

NHM ZEIGT MIT 'GABONIONTA' DIE AeLTESTEN FOSSILIEN VIELZELLIGEN LEBENS
NHM ZEIGT MIT 'GABONIONTA' DIE AeLTESTEN FOSSILIEN VIELZELLIGEN LEBENSAPA/ABDERRAZAK EL ALBANI, UNIVER
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Das NHM zeigt die 2,1 Milliarden Jahre alten Fossilien vielzelligen Lebens. Sie werden weltweit erstmals ausgestellt.

Mit den „Gabonionta“ zeigt das Naturhistorische Museum Wien eine „wissenschaftliche Sensation“, wie es Direktor Christian Köberl formulier: Die 2,1Milliarden Jahre alten Fossilien sind weltweit zum ersten Mal öffentlich zu sehen. Es handelt sich um die ältesten bekannten Zeugnisse komplexer, vielzelliger Lebewesen.

Freilich: Dinosaurier sind einfacher zu „verkaufen“. Denn die Bedeutung der in unscheinbare schwarze Steinplatten eingebetteten Fossilien erschließe sich nicht sofort, sagt Mathias Harzhauser von der Geologisch-paläontologischen Abteilung. Dabei musste nach ihrer Entdeckung in Gabun 2008 und der wissenschaftlichen Beschreibung in „Nature“ 2010 das erstmalige Vorkommen komplexen, vielzelligen Lebens um 1,5 Milliarden Jahre nach vorn verschoben werden. Nun werden die Fossilien in der Sonderschau „Experiment Leben“ bis 30.Juni in zwei Vitrinen in einem abgedunkelten Saal präsentiert.

Vor dem Fund der Gabonionta dachte man, dass die Mikrobenwelt erst vor 580 Millionen Jahren durch die ersten mehrzelligen Lebewesen, die Ediacara-Fauna, abgelöst wurde. Doch 2008 entdeckte der marokkanisch-französische Geologe Abderrazak El Albani von der Universität Poitiers in dem westafrikanischen Land Gabun nahe der Stadt Franceville die hervorragend erhaltenen Fossilien. Eingebettet waren die bis zu 17 Zentimeter großen Mehrzeller in schwarzen Tonschiefer.

Die nach dem Fundland benannten Gabonionta haben für Harzhauser „unser Bild der Evolution verändert“. Es spreche vieles dafür, dass es sich um die ältesten mehrzelligen Organismen handelt, die koordiniertes Wachstum hatten. Es gibt zwar ebenfalls 2,1 Mrd. Jahre alte Überreste makroskopischer Vielzeller (Grypania spiralis) mit einer zentimeterlangen, fadenförmigen Struktur. Sie sind aber morphologisch wenig komplex – und erinnern an Gemeinschaften von Archaeen und Bakterien. Die Gabonionta dagegen würden eine komplexe Morphologie aufweisen.

Unter den bisher entdeckten 450 Individuen finden sich Formen mit kreisförmigem Umriss ebenso wie gestreckte, an abgeflachte Würmer erinnernde Typen. Alle haben aber einen ellipsoiden oder kugeligen Zentralkörper, der von einem Saum mit radialer Struktur und gelapptem Rand umgeben ist. Das deutet auf koordiniertes Wachstum und interzelluläre Kommunikation hin, man könnte auch der Meinung sein, dass es Zellspezialisierung gegeben habe, sagte Harzhauser.

Parallelen zu heutigen Lebewesen gibt es keine: „2,1 Mrd. Jahre ist so lange her, da ist die Evolution drübergegangen. Möglicherweise ist das ein Experiment des Lebens, das völlig erloschen ist.“ Gut weiß man über den Lebensraum der Gabonionta Bescheid: ein sehr seichtes Meer, im Tonschiefer sind sogar die charakteristischen Wellenrippel erkennbar. Der Fund ist dem geologischen Glücksfall zu verdanken, dass das Gebiet so lange Zeit quasi unverändert erhalten geblieben ist. Fast alle anderen so alten Becken mit Meeresablagerungen sind durch Plattentektonik, Gebirgsbildung, Subduktion, Druck und Temperatur völlig verändert oder zerstört worden. apa

Erstes Leben

Die Erde entstand vor rund 4,5 Milliarden Jahren. Das Leben darauf ist rund 3,8Milliarden Jahre alt. Die ersten Organismen waren Bakterien und Archaeen, die mächtige Matten bilden konnten. Ihre in 3,5Milliarden Jahre alten Gesteinen in Australien gefundenen Überreste stellen auch die ältesten bekannten Fossilien dar. Die Gabonionta sind 2,1Milliarden Jahre alt und die ältesten Fossilien vielzelligen Lebens.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.03.2014)

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