Die sechs Alter nach Isidor von Sevilla

Opa mit Enkerl
Opa mit Enkerlwww.BilderBox.com
  • Drucken

Mit der Kindheit beginnt das Leben – und kann bis über 70 Jahre hinaus dauern.

Adolescentia steht in den abendländischen Quellen des frühen Mittelalters für den Lebensabschnitt zwischen Jugend und Erwachsenenalter. Bei dem Wiener Byzanz-Symposium vom 3. bis 4. Februar 2014 (siehe Artikel nebenan) zeigte der Mediävist Hans-Werner Goetz (Uni Hamburg) die sechs Altersstufen, wie sie Isidor von Sevilla am Anfang des siebenten Jahrhunderts skizziert hat:

• Kindheit (infantia), bis sieben Jahre – sprachlos,
• Jugend (pueritia), bis 14 Jahre – erinnerungsfähig,
• Adoleszenz (adolescentia), bis 28 Jahre – zeugungsfähig,
• Mannesalter (iuventus), bis 50 Jahre – stärkstes Alter,
• Alter der Würde (gravitas), bis 70 Jahre – Neigung zum Greisentum,
• Greisenalter (senectus), bis zum Tod – Kälte, weißes Haar, Weisheit.

In der Adoleszenz des Mittelalters ist der Heranwachsende weder Kind noch Erwachsener. Diese Zeit ist das Alter der Heirat, des Erwerbs der Bildung und des beruflichen Einstiegs. Hans-Werner Goetz sieht diesen Lebensabschnitt nur bis 20Jahre, nicht wie Isidor von Sevilla bis 28 Jahre.

Die Adoleszenz der jungen Männer kann nicht eins zu eins auf jene der Frauen übertragen werden. Mädchen wurden mit Erreichung der Menarche, also etwa um das zwölfte Lebensjahr, heiratsfähig. Die Jungen traten erst mit 14 und 15 Jahren in das Heiratsalter ein. Hochzeiten wurden damals tatsächlich in diesem Alter geschlossen, wobei die Ehe meist erst später vollzogen wurde.

Mittelalterforscher Karl Brunner von der Universität Wien verweist auf Hildegard von Bingen (1098–1179), die wegen der noch nicht voll entwickelten körperlichen Reife gegen die Altersgrenze von zwölf Jahren für Mädchen bei einer Heirat protestierte. Im Alter von 15 Jahren sieht sie diese körperliche Entwicklung aber weitgehend abgeschlossen. Ab dem 13.Jahrhundert, so Brunner, steigt das Heiratsalter stetig an, die früheren Fristen verschieben sich. ewi

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.03.2014)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.