Pflanzenschutz: Wolbachia, der wahre Herr der Fliegen

Kann ein Bakterium gegen Schadinsekten eingesetzt werden? Forscher an der Boku in Wien hoffen es.

Das Bakterium Wolbachia hat ein Problem. Zwar lebt es in 75 Prozent aller Insekten und Spinnen, aber es lebt wirklich in ihnen, in ihren Zellen, es kann sich nur mit ihnen fortpflanzen, von einer Wirtsgeneration zur nächsten. Aber das Ganze ist noch vertrackter, Wolbachia kann sich nur über das Zytoplasma der Eier fortpflanzen, nicht über das Sperma. Schier unlösbar, aber das Bakterium hat eine Fülle origineller Lösungen gefunden, die alle darauf hinauslaufen, dass die Zahl der infizierten Weibchen in der Population gehoben und die der nicht infizierten Weibchen sowie aller Männchen gesenkt wird, was Wolbachia auch den Ehrentitel "Witwenmacher" eingetragen hat: In manchen Arten werden die Männchen verweiblicht - und zu Jungfernzeugung befähigt -, in anderen sterben sie schon im Ei und dienen ihren Schwestern als Futter.

Es gibt auch andere Tricks, etwa die "unidirektionale zytoplasmische Inkompatibilität". Sie sorgt dafür, dass manches Leben erst gar nicht gedeiht: Wenn nicht infizierte Weibchen von infizierten Männchen begattet werden, gibt es kaum Nachkommen, so werden nicht infizierte Weibchen allmählich aus der Population verdrängt. Könnte man das nicht nutzen und künstlich infizierte Männchen eines Schadinsekts als Waffe gegen nichtinfizierte Populationen einsetzen? "Man hat in den 70er-Jahren bemerkt, dass es eine unidirektionale Inkompatibilität zwischen Kirschfruchtfliegen aus Nord- und Südeuropa gibt", erklärt Christian Stauffer (Forstentomologie, Boku): "Weibchen aus dem Norden bekommen mit Männchen aus dem Süden keine Nachkommen; Weibchen aus dem Süden mit Männchen aus dem Norden durchaus."

Dahinter steckt Wolbachia. Alle Kirschfruchtfliegen, die im Norden und die im Süden, haben das Bakterium, aber die im Norden haben nur eine Variante, die im Süden zwei, und die zweite ist für die Weibchen aus dem Norden unverträglich. Diese Varianten haben Staufer und sein Mitarbeiter Markus Riegler im Rahmen eines FWF-Projekts auf Mittelmeerfruchtfliegen - gefürchtete Schädlinge, die beide Varianten nicht haben - übertragen, ähnliche Versuche sind früher gescheitert: "Der Transfer ist sehr gut gelungen", berichten die Forscher, "und die Mortalität der Embryonen liegt bei hundert Prozent" (Pnas, 4. 10.).

Dort liegt sie dann, wenn man infizierte Männchen mit Weibchen aus nicht infizierten Wildpopulationen kreuzt - im Labor. Aber man will sie nicht für das Labor, man will sie dort, wo die Fruchtfliegen ihren Schaden anrichten, im Freien. Dazu muss man sie erst einmal in Massen züchten und dann gut aufpassen, dass man nur Männchen auswählt - würde man auch infizierte Weibchen freisetzen, gäbe es wieder Nachwuchs. Langjährige Expertise in beidem - der Zucht und dem "Sexing" - haben die Entomologen der Internationalen Atomenergiebehörde IAEA in Seibersdorf, die Schadinsekten auf einem analogen Weg ausrotten wollen: Durch die massenhafte Freisetzung strahlensterilisierter Männchen, die "sterile insect technique", SIT.

Aber in Seibersdorf kennt man auch die Tücken des Verfahrens: Die freigesetzten Männchen müssen mit denen der Wildpopulation um die Weibchen konkurrieren. Und sie tun sich von der Qualität wie der Quantität her schwer: Ihre "fitness" kann durch die Bestrahlung leiden, und die wirklich freie Natur ist einfach zu groß, SIT hat bisher nur auf Inseln funktioniert oder dort, wo die Natur andere unüberwindliche Hindernisse setzt, hohe Bergketten, ausgedehnte Wüsten. Stauffer kennt die Probleme: "Ob es im Freiland klappen kann? Viele bezweifeln es, aber es wäre einfach super."

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.