Damit das Huhn gesund bleibt

Hahn
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Behandelt man kranke Hühner und Puten mit Medikamenten, können diese in die Nahrungskette gelangen. Daher werden Hühner geimpft. Gegen viele Geflügelkrankheiten gibt es aber noch keine Impfstoffe.

Weißes Fleisch wird immer beliebter. Bis 2050 wächst die Weltbevölkerung auf geschätzte neun Milliarden Menschen an. Und sie wächst vor allem in Ländern, die sich stark von Geflügel ernähren: etwa in Indien, wo die Bevölkerung aus religiösen Gründen viel helles Fleisch isst. Aber auch in Europa, wo der Trend zu fettarmem Essen anhält, setzen immer mehr Menschen auf den Verzehr von Fleisch von Hühnern oder Puten.

Erkranken diese Nutztiere, ist eine Behandlung meist schwierig: Es gilt zu vermeiden, dass pharmazeutische Wirkstoffe über Fleisch oder Eier in die Nahrungskette gelangen. Die Strategie ist daher Vakzine, also Impfstoffe, zu entwickeln, damit die Tiere gar nicht erst krank werden. „Impfstoffe haben in der Veterinärmedizin, insbesondere beim Nutztier, einen sehr hohen Stellenwert“, sagt Michael Hess, Leiter der Klinik für Geflügel und Fische der Veterinärmedizinischen Universität in Wien. „Gegen eine Vielzahl von viralen, bakteriellen und parasitären Krankheiten gibt es aber bislang keine Impfstoffe.“ Das will man im neuen, an seiner Klinik angesiedelten Christian-Doppler-Labor (CDL) für innovative Impfstoffe ändern.

Vertikale Übertragung.
Die Wissenschaftler untersuchen dazu mögliche Erreger: Viren, Parasiten und Bakterien. Ein Schwerpunkt liegt auf der Erforschung von Hühner-Adenoviren. Bei diesen Viren wird der Erreger vertikal, also von der Henne über das Ei auf das Küken, übertragen. Die Küken erkranken an einer Hepatitis, etwa 20 bis 30 Prozent sterben in den ersten Lebenswochen an einer Entzündung der Leber. Durch die vertikale Übertragung müssen Impfstoffe bei den Elterntieren ansetzen. In ihrer Arbeit entnehmen die Forscher im Labor aus der äußersten Struktur des Virus ein Protein und bauen es in Insektenzellen ein. In vitro, also in künstlicher Umgebung, wird das Protein nachgebildet und gereinigt. Erst kürzlich veröffentlichten die Wiener Forscher in der internationalen Fachzeitschrift „Vaccine“ Ergebnisse der ersten Tests, die optimistisch stimmen: Die Tiere erkrankten nicht mehr. Resultate zum Thema sind begehrt, denn ein geeigneter Impfstoff wird weltweit noch gesucht.

Ein Huhn impfen. Geimpft wird Geflügel üblicherweise über das Trinkwasser. Der Impfstoff wird einfach beigemengt. Das geht einfach, schnell und schmerzlos. Verwendet man zusätzlich einen Farbstoff, lässt sich an den Zungen der Tiere nachvollziehen, ob diese auch getrunken haben. Injektionen sind aufgrund des Aufwands bei großen Tierbeständen eher selten, theoretisch können sogar bereits Embryonen im Ei geimpft werden. Eine Alternative sind Sprays, die über die Atmung aufgenommen werden. Für den Menschen sind die Impfstoffe in weiterer Folge unbedenklich, da es sich um tierspezifische Erkrankungen handelt, so Hess.

„Die Vielzahl der Viren ist dabei allerdings ein großes Problem“, sagt Hess. Im neuen CD-Labor will er zusammen mit seinem sechsköpfigen Team besser verstehen, was pathogene, also krankmachende, von weniger pathogenen Viren unterscheidet. Dazu untersuchen die Forscher etwa, wie sich die Viren im Tier verbreiten und wie sich die Leber bei einer Erkrankung verändert.

Auch bei bakteriellen Erkrankungen ist es eine wichtige Basis, die krankmachenden Erreger genau zu kennen. Um diese zu charakterisieren, wenden die Forscher daher massenspektrometrische Verfahren an. Sie wollen die Bakterien so künftig schneller erkennen und einordnen können. Dazu bauen sie eine eigene Datenbank auf.

Schwarzkopfkrankheit.
Der dritte Auslöser für Geflügelkrankheiten sind Parasiten. Der Fokus der Forscher liegt hier auf der Erforschung der Histomonose, im Volksmund als Schwarzkopfkrankheit bezeichnet – daran angelehnt, dass erkrankte Tiere durch eine geschädigte Leber einen blauen Kamm bekommen. Die Krankheit wurde bereits 1893 wissenschaftlich beschrieben. Dennoch sind viele Details zum Erreger, dem Einzeller Histomonas meleagridis, zu seinem Lebenszyklus und den Übertragungswegen bis heute unerforscht. Auch Hühner erkranken, sterben aber nicht daran. Betroffen sind vor allem Puten, bei denen die Krankheit weit fataler verläuft. Ist ein Bestand befallen, kann das das Ende für alle Tiere bedeuten – mit allen wirtschaftlichen Konsequenzen für den Landwirt.

Regenwurm als Stapelwirt.
An sich galt die Schwarzkopfkrankheitals nahezu besiegt: Dem Futter der Tiere wurden lange prophylaktisch entsprechende Medikamente beigemengt. Als diese Praxis in Kritik geriet und die Hersteller die Unbedenklichkeit ihrer Produkte nicht nachweisen konnten, wurden zahlreiche Therapeutika vom Markt genommen. „Dadurch haben sich auch in Österreich bestimmte Geflügelkrankheiten wieder ausgebreitet“, so Hess. Vor allem im Freiland sei das ein Problem, so der Experte weiter: Der Parasit lebt im Blinddarm der Tiere und wird durch einen ebenfalls im Blinddarm lebenden Wurm übertragen. Der weibliche Wurm nimmt den Parasiten auf und „verpackt“ ihn in seine Eier, wo er über Jahre haltbar ist. Regenwürmer wirken als Stapelwirte – die Parasiten stapeln sich buchstäblich in diesen. Nimmt ein Tier im Auslauf einen solchen Regenwurm auf, trägt es die Krankheit sozusagen in sich. In Frankreich wurde die Freilandhaltung von Puten aufgrund der hohen Ausfälle gänzlich ausgesetzt. Bislang gibt es weltweit keinen Impfstoff gegen die Gruppe der Flagellaten, zu der der Parasit gehört.

Prototyp für Impfstoff. Ein erster Durchbruch könnte den Wiener Forschern bereits gelungen sein: Hess und sein Team entwickelten in rund zehnjähriger Forschungsarbeit einen Prototyp für einen Impfstoff gegen einen Flagellaten. Wissen, das besonders relevant ist, da es sich auch auf andere Flagellatenarten übertragen lässt. Die Wissenschaftler isolierten dazu den Erreger aus dem Darm eines erkrankten Tiers. Im Reagenzglas legten sie eine Population an und wechselten alle drei Tage das Substrat. Diesen Prozess wiederholten sie rund drei Jahre lang alle drei Tage – insgesamt dreihundertmal. Das Ergebnis ist ein Prototyp für den weltweit ersten Lebendimpfstoff gegen einen Flagellaten. „Für einen Lebendimpfstoff wird ein Erreger mit speziellen Methoden so abgeschwächt, dass er eine Immunantwort bewirkt, ohne den Wirt zu schädigen“, so Hess. Mit seinem Team hat er eine Methode entwickelt, wie sich die Erreger im Labor in großen Mengen herstellen lassen.

Matrix statt Zwischenwirts. Die nächste Herausforderung ist, die Einzeller zu „verpacken“, damit sie ins Tier gelangen. „In der Natur benutzen Flagellaten Zwischenwirte, wir suchen nach einer geeigneten technischen Matrix“, sagt Hess. Im mit März eröffneten CD-Labor soll nun gemeinsam mit dem Unternehmenspartner Vaxxinova der nächste Schritt in Richtung großtechnologischer Anwendung gelingen. Hess rechnet in den nächsten zwei Jahren mit experimentellen Erfolgen im Kampf gegen den Flagellaten.

in kürze

Christian-Doppler-
Labors.
In diesen Einrichtungen für anwendungsorientierte Grundlagenforschung soll ein Brückenschlag zwischen Wissenschaft und Wirtschaft gelingen. Die Labors werden je zur Hälfte von einem Industriepartner und der Christian-Doppler-Gesellschaft finanziert. Die maximale Laufzeit beträgt sieben Jahre.

Christian Doppler. Benannt sind Gesellschaft und Förderprogramm nach dem österreichischen Mathematiker und Physiker Christian Doppler (1803–1853). Auf ihn geht der sogenannte Doppler-Effekt zurück, ein Wellenphänomen.

Christian-Doppler-
Labor für innovative Geflügelimpfstoffe.
Ziel der im März an der Veterinärmedizinischen Universität Wien eröffneten Einrichtung ist die Entwicklung neuer Impfstoffe für ausgewählte Infektionskrankheiten beim Geflügel.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.04.2014)

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