Astrophysik: Alle 62 Millionen Jahre vergeht Leben

(c) EPA (Dennis M. Sabangan)
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Umstrittener Zyklus ist bestätigt, die Ursachen bleiben Spekulation.

Seit das Leben aufblühte, in der „kambrischen Explosion“ vor 542 Millionen Jahren, schwankt seine Vielfalt mit frappierender Regelmäßigkeit, bemerkt hat es in den 80er-Jahren Paläontologe Jack Sepkoski. Er sah – im Archiv der Meeresfossilien – eine Periodizität von 26 Millionen Jahren. 2005 kamen die Physiker Robert Rohde und Richard Muller (beide Berkeley) mit einer anderen Zahl: Alle 62 Millionen Jahre („plus/minus drei“) habe es einen Schwund gegeben, bisweilen dramatisch: Massensterben. Ebenso regelmäßig sei das Leben wiedergekehrt.

Beides wird nun von Bruce Liebermann (Geologe, University of Kansas) und Adrian Melott (Astronom, auch Kansas) bestätigt: „Die Evidenz für eine Periodizität von 62 Millionen (plus/minus drei Millionen) Jahren ist robust, jene für eine Periodizität von ungefähr 27 Millionen zeigt sich auch, aber weniger eindeutig“ (PLoS ONE, 22.8.). Das gilt für den Schwund und das neue Gedeihen, der Erste geht rasch, das Zweite folgt langsam und 20 Millionen Jahre später. Der Abstand passt zu Hypothesen über die Neubesiedelung ökologischer Nischen. Aber wozu passt das Ganze, wer schlägt den Rhythmus?

Vulkane, Einschläge, Strahlen

Die Ursachen können im Himmel liegen oder hausgemacht sein, Zyklen der Geologie. Rohde tendiert zur Annahme periodischer Megavulkanausbrüche, Muller vermutet ein Himmelsgeschehen und nennt es „Nemesis“, nach der Göttin des gerechten Zorns: Demnach umrundet ein Himmelskörper unsere Sonne in einem Abstand von 1,5 Milliarden Lichtjahren und sorgt immer wieder für Kometenschauer. Die Hypothese hat den Nachteil, dass „Nemesis“ – man müsste sie laut Muller mit einem „kleinen Fernrohr, gar mit einem Fernglas“ sichten können – bisher nicht gefunden wurde.

Melott, Mitautor der jetzigen Arbeit, hat einen anderen astronomischen Vorschlag: Die Sonne steht nicht still, sie schwankt auf und ab (gegenüber der Ebene der Milchstraße) und gerät just alle 62 Millionen Jahre in die Nähe einer Quelle kosmischer Strahlen. Diese Strahlen sind extrem lebensfeindlich, sie können auch das Klima beeinflussen (Astrophysical Journal, 1.8.). Dagegen spricht, dass das letzte große Sterben, das der Saurier, wohl von einem Einschlag kam. Es war vor 65 Millionen Jahren. Und der Untergang kommt alle 62 plus/minus drei? Unsicherheitsbereich, steh uns bei! jl

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.08.2007)

Erratum

„Nemesis“ sei der Name der Göttin des gerechten Zorns, stand am Dienstag in der "Presse" zu lesen, und „Nemesis“ sei auch der Name eines postulierten Himmelskörpers, der unsere Sonne im „Abstand von 1,5 Milliarden Lichtjahren“ umkreise. Bewahre! Letzteres ist falsch, die Milliarden gehören weg, 1,5 ist weit genug. Viele astrophysikalische Verfechter der Nemesis im erstgenannten Sinn haben es bemerkt. Wir bedauern. ("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.08.2007)

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