Zitrusbaum-Bakterium: Grüne Gefahr?

(c) Gepa (Andreas Reichart)
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Pathologie. Ein Zitrusbaum-Bakterium gilt als Biowaffe – und kann deshalb nur schwer erforscht werden.

Citrus greening oder Huanglongbing ist eine der ernstesten Bedrohungen der Zitrusfrüchte-Industrie. Befallene Bäume werden gelb und sterben nach ein paar Jahren. In Regionen Brasiliens sind bis zu 70Prozent der Ernte betroffen.“ So stand es am 12.7.2007 nicht etwa in einem Fachblatt für Plantagenbesitzer, sondern auf der Homepage des US-Heimatschutzministeriums(http://osd.gov.com). Was hat das mit einer Krankheit der Orangen-, Zitronen- und Grapefruitbäume zu schaffen?

Das fragen sich manche Forscher auch: Die Krankheit wütet seit längerem in Ostasien, deshalb heißt sie in China (und international) auch Huanglongbing (HLB), gelbe Drachenkrankheit, die Blätter werden gelb, die Früchte bleiben grün und ungenießbar, gallenbitter. Verursacht wird das von einem Bakterium – Candidatus Liberibacter –, das sich vom Pflanzensaft ernährt und auf verschiedenen Wegen übertragen wird, vor allem von Insekten. Gegenmittel gibt es keine, befallene Bäume müssen entfernt werden. 53 Millionen waren das in den späten 90er-Jahren in Asien, zehn Millionen in Afrika, 800.000 in der Region São Paulo, in die das Bakterium 2004 eingedrungen war.

„Select agents“: Pest, Anthrax, HLB

2005 tauchte es in den USA auf, in Florida, es verbreitete sich rasch. Die Angst war vorher schon da: 1996 erstellten die USA erstmals eine Liste von „select agents“ – Mikroorganismen, die von Bioterroristen verwendet werden könnten –, Anlass war der Versuch eines Rechtsradikalen, Pestbakterien zu erwerben. Dann kamen die Anthrax-Anschläge nach 9/11, im Anschluss kamen erstmals Pflanzenpathogene auf die Liste, darunter das Zitrus-Bakterium.

Es ist heute noch darauf, als eine von sieben Pflanzenkrankheiten. Für die Forscher ist das ein zweischneidiges Schwert: Einerseits fließt viel Forschungsgeld in die Biowaffenabwehr, andererseits sind die Restriktionen bleiern: An „select agents“ darf nur in Labors auf höchstem Sicherheitsniveau geforscht werden – dabei geht es nicht nur um herkömmliche Laborsicherheit, sondern auch um Videoüberwachung etc. –, und auch das nur unter Einschränkungen. Wird eine Zitrus-Probe in einem Labor als HLB-positiv diagnostiziert, muss das an das Ministerium gemeldet – und die Probe binnen Wochenfrist zerstört werden. Das bremst die Forschung, es schreckt viele Forscher ab, vor allem junge, die es eilig haben mit ihrer Qualifikation.

Und wer sich nicht schrecken lässt, darf nicht so einfach ins Labor. Das FBI befindet darüber, wer forschen darf, und das kann dauern: „Ein Dutzend meiner Mitarbeiter sind im Schwarzen Loch des FBI verschwunden“, klagt Tim Gottwald, Pflanzenpathologe in Florida. „Es ist paradox“, stimmt sein Kollege Eric Triplett, auch in Florida, zu: „Es gibt enorme Sicherheitsvorschriften für uns im Labor, während draußen vor den Laborfenstern überall das Bakterium ist“ (Nature, 452, S.148). Die Forscher fordern, das Bakterium von der Liste zu nehmen, Nature schließt sich in einem Kommentar an (S.127). Es ist dringlich: Man befürchtet eine Ausbreitung der Bakterien in die großen Anbaugebiete Kaliforniens.

HLB: Zitrus-Bakterium

Gelbe Blätter macht das Bakterium, deshalb heißt die Krankheit Huanglongbing (HLB: gelbe Drachenkrankheit); sie heißt auch „citrus greening“, die Früchte bleiben grün und ungenießbar. Die Bäume sterben bald, Gegenmittel gibt es keine, international sind die Schäden enorm.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.03.2008)

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