Hauchdünne Solarzellen

Michael Greif controls his 56 photovoltaic (solar) panels at the roof of his house in Coburg
Michael Greif controls his 56 photovoltaic (solar) panels at the roof of his house in CoburgREUTERS
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Biegsam, reißfest und leicht: Forscher des Instituts für Photonik der TU Wien fanden mit Wolframdiselenid ein neues Material zur Herstellung von Solarzellen. Die Anwendungsperspektiven sind vielversprechend.

Welch hohen Nutzen Grundlagenforschung hat, konnte ein Team der TU Wien wieder unter Beweis stellen. Die Forscher fanden mit Wolframdiselenid (WSe2) ein neues Material zur Herstellung von ultradünnen, biegsamen Solarzellen. Ihre Erkenntnisse veröffentlichten sie kürzlich im renommierten Wissenschaftsjournal „Nature Nanotechnology“.

„Wir waren schon immer an der Solarenergie interessiert, allerdings ist Graphen, das Material mit dem wir bisher größtenteils arbeiteten, ungeeignet dafür“, sagt Thomas Müller vom Institut für Photonik der TU Wien. Graphen ist ein zweidimensionaler Kristall, der sehr dünn, biegsam und härter als ein Diamant ist. Jedoch ist Graphen kein Halbleiter, sondern ein Metall und daher ungeeignet für die Verwendung als Solarzelle. „So begannen wir uns mit verwandten Materialien zu beschäftigen und kamen auf Wolframdiselenid“, so Müller.

Wolfram und Selen. Wolframdiselenid ist ebenfalls ein zweidimensionaler Kristall wie Graphen, allerdings ein Halbleiter. Aufgrund des Aufbaus aus einer Schicht von Wolfram-Atomen, die oberhalb und unterhalb mit Selen- Atomen verbunden sind, ist dieser Halbleiter biegsam, reißfest und leicht. Das Material ist nur 0,7 Nanometer dünn. Um damit arbeiten zu können, muss es auf eine Folie aufgebracht werden.

Die Perspektiven sind vielversprechend: Gelingt es in der Folge, Solarzellen zu konstruieren, könnten diese beispielsweise an große Glasfassaden von Gebäuden angebracht werden. Wegen ihrer geringen Stärke sind die Solarzellen transparent, so dass immer noch ein Teil des Lichts durch die Fassade in das Gebäude dringen würde. Durch das Schichten mehrerer Lagen übereinander ließe sich außerdem ein Ausgleich zwischen Lichtdurchlässigkeit und Energieausbeute herstellen. In ihrer Effizienz ist diese neue Solarzelle im Vergleich mit herkömmlichen Solarzellen durchaus konkurrenzfähig. Würden zwanzig Lagen des Materials übereinander geschichtet, könnte der Wirkungsgrad sogar um ungefähr zehn Prozent gesteigert werden.

Leuchtende Schicht. Im Vergleich zu den derzeit meist aus Silizium gefertigten Solarzellen, die schwer, spröde, zerbrechlich und intransparent sind, ergibt sich hier eine Vielzahl neuer Anwendungsmöglichkeiten für die Nutzung der Sonnenenergie. Die Wolframdiselenid-Schicht kann nicht nur Licht in elektrische Energie umwandeln, sie kann auch umgekehrt mit Hilfe von Stromzufuhr zum Leuchten gebracht werden. „Wir wünschen uns, dass damit eines Tages dünne, flexible Displays oder auch großflächig-diffuse Raumbeleuchtungen hergestellt werden“, sagt Müller.

Der Kristall hat überdies das Potenzial, mit geringen Kosten und hoher Materialqualität produziert werden zu können. Die Umweltverträglichkeit von Wolframdiselenid muss erst untersucht werden. Nachdem das Material aber derart dünn ist, fällt bei der Entsorgung jedenfalls kaum Abfall an. Die Forschung zu Wolframdiselenid als Solarzelle befindet sich noch in den Anfängen. Die bisher produzierten Schichten sind winzig klein, sodass an der Herstellung von größeren Flächen noch weiter gearbeitet werden muss. Jedoch war dies bei seinem berühmten Verwandten, dem Graphen, ähnlich: Heute, rund zehn Jahre nach seiner Entdeckung, ist es möglich, mehrere Quadratmeter große Graphenlagen herzustellen.

Meterlange Folien. „Das kurzfristige Ziel unserer Arbeit ist es, eine Solarzelle auf flexiblem Substrat mit zehn Prozent Wirkungsgrad und einer Größe von einem Quadratzentimeter herzustellen“, sagt Müller. „Unser Endziel wäre die Herstellung meterlanger Folien, auf der sich die Solarzellen befinden. Ob dies möglich sein wird, können wir heute noch nicht sagen“, so der Forscher.

Die Untersuchungen der Nutzung von Wolframdiselenid als Material für Solarzellen sind damit jedenfalls ein vielversprechender Beitrag zum weiteren Ausbau der Solarenergie.

Materialien

Eine Solarzelle besteht aus einer dünnen Schicht eines Halbleitermaterials.
Derzeit wird dafür meist Silizium verwendet.

Graphen ist sehr stabil, biegsam, transparent und dreihundertmal so fest wie Stahl. Jedoch ist Graphen kein Halbleiter, sondern ein Metall und daher für die Verwendung als Solarzelle nicht geeignet.

Wolframdieselenid hat nach neuesten Erkenntnissen von Forschern der TU Wien das Potenzial, in Zukunft für Solarzellen verwendet zu werden. TU Wien

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.05.2014)

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