Fettzellen für ein ganzes Leben

(c) AP (Jaime Puebla)
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Bei Diäten schrumpfen die Zellen nur. Sie werden aber regelmäßig ausgetauscht, fanden schwedische Forscher. Weiters entdeckt: Eine Gen-Variante, die Fettsucht fördert.

Fettleibigkeit ist längst eine Epidemie; sie ist mit daran schuld, dass in hoch entwickelten Ländern wie den USA die Lebenserwartung seit langem wieder zu sinken droht. Dass sie so schwer zu bekämpfen ist, liegt auch daran, dass sie sich relativ früh im Leben ausprägt und dann beharrlich bleibt.

Zwei Faktoren bestimmen, wie fett ein Mensch ist: erstens die Anzahl von Fettzellen, zweitens deren Füllung mit Fett. Der erste Faktor bleibt nach Ende der Adoleszenz konstant. Wer erfolgreich eine Abmagerungsdiät abschließt, entleert seine Fettzellen nur, deren Anzahl bleibt lebenslang gleich. Das bestätigt eine Arbeit von Zellbiologen um Peter Arner am Karolinska-Institut in Stockholm (Nature, online 4.5.).

Bisher glaubte man allerdings, dass sich in Erwachsenen gar keine neuen Fettzellen bilden. Das haben die Forscher um Arner nun widerlegt, u.a. durch Zählung der Fettzellen an 687 Versuchspersonen und durch Messung von radioaktiven Kohlenstoff-Isotopen in der DNA von Zellen: Menschen, die die Zeit der Atombombentests im Kalten Krieg (zirka von 1955 bis 1963) erlebt haben, haben damals vermehrt radioaktive 14C-Atome in die DNA eingebaut, so lässt sich bestimmen, wann sich Zellen gebildet haben.

Ergebnis: Es bilden sich sehr wohl neue Fettzellen, allerdings nur so viele, dass die abgebauten Zellen gerade ersetzt werden. Die Gesamtzahl bleibt konstant. Jährlich ausgetauscht werden zehn Prozent – im Durchschnitt. Schlanke und fettleibige Menschen unterscheiden sich aber nicht nur in Anzahl und Fett-Gehalt ihrer Fettzellen, sondern auch in der Geschwindigkeit dieses Austausches: „Das könnte zumindest teilweise erklären, warum es so schwer ist, nach dem Abnehmen das Gewicht zu halten“, meint Peter Arner: „Die neuen Fettzellen, die während und nach der Abmagerungsdiät gebildet werden, trachten danach, sich schnell wieder aufzufüllen.“

Welche Mechanismen und welche Gene diesen „Turnover“ regulieren, ist unbekannt. Überhaupt sind die genetischen Faktoren der Fettsucht noch weißes Land für die Forscher. Erst vor zirka einem Jahr wurde – bei der Suche nach Risikofaktoren für Diabetes Typ 2 – ein Gen identifiziert, von dem es eine Variante gibt, deren Träger im Durchschnitt um zwei bis drei Kilo schwerer sind als andere Menschen. Das Gen wurde „FTO“ (von „fat-mass- and obesity-associated“) genannt; was es tut, ist noch unklar.

Gen, das Energiehaushalt steuert

Nun entdeckten zwei Teams – eines um Mark McCarthy (Oxford), eines um Jaspal Kooner (London) – zwei weitere mit Fettsucht assoziierte Gen-Varianten (Nature Genetics, online 5.5.). Und zwar beide an einem Gen, dessen Funktion man kennt: Es heißt MC4R („melanocortin-4 receptor“), wird in Nervenzellen des Hypothalamus aktiv, wo es an der Steuerung von Nahrungsaufnahme und Energiehaushalt beteiligt ist.

Defekte direkt im MC4R-Gen führen zu extremer Fettsucht schon in der Kindheit. Die nun identifizierten Varianten liegen aber nicht im Gen selbst, sondern nur in dessen Nähe, wahrscheinlich beeinflussen sie subtil seine Aktivität. „Wir entdecken immer mehr, dass Gene, die eine Rolle in schweren – und seltenen – Krankheiten spielen, auch an stärker verbreiteten Krankheiten beteiligt sind“, erklärt McCarthy.

Beide Risikovarianten sind ziemlich häufig, eine kommt signifikant öfter bei Briten indischer Abstammung als bei Europäern vor; das könnte erklären, dass Diabetes in Indien auffällig zunimmt, meint Kooner – und betont: „Wir können die genetischen Faktoren nicht ändern. Aber wir können uns auf präventive Maßnahmen, auf Lifestyle-Faktoren wie Ernährung und Training konzentrieren. Und wir können neue Angriffsziele für Medikamente suchen.“

LEXIKON: Fettzellen

Adipozyten (Fettzellen) entstehen aus ihren Vorgängerzellen, indem u.a. Gene angeschaltet werden, die die Synthese von Fett-Molekülen (aus je drei Fettsäure-Molekülen und einem Glyzerin-Molekül) steuern, aber auch die umgekehrte Reaktion, den Abbau von Fetten.

Das Fett sammelt sich in Tröpfchen an, die allmählich verschmelzen und in einer reifen Fettzelle den Großteil des Volumens ausmachen. Die restlichen Organellen haben fast keinen Platz mehr, sogar der Zellkern wird an den Rand gedrängt und abgeflacht. Durch Anhäufung bzw. Abbau von Fett kann eine Fettzelle ihr Volumen um drei Größenordnungen verändern.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.05.2008)

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