Biologie: Auch Schimpansen kooperieren, und wie!

(c) Yerkes National Research Center
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Ausgerechnet Weibchen, die in der Natur nicht zusammenarbeiten, fanden in einem Experiment, zu dem sie weder angehalten noch angeleitet wurden, ganz spontan zu gar nicht so einfacher Kooperation zusammen.

Der Mensch sei ein „ungefiedertes, zweibeiniges Wesen“, definierte Platon in seiner Akademie. Aber er hatte nicht mit Diogenes gerechnet, der warf ihm vor den Augen seiner Schüler ein gerupftes Huhn vor die Füße: „Da hast du deinen Menschen!“ Primatologe Frans de Waal (Emory) mag die Anekdote, und er reiht sich ein in die Nachfolge von Diogenes: „Seit Platons Scheitern tat sich die Menschheit schwer damit, den ultimativen Beweis ihrer Einzigartigkeit zu finden.“

Vor allem gegenüber unseren nächsten Verwandten, den Schimpansen. Lange setzte man vor allem auf den Gebrauch von Werkzeugen. Aber 1960 beobachtete Jane Goodall, wie ein Schimpanse in Tansania ein Termitennest mit einem Ast aufbrach, inzwischen kennt man viele Werkzeuge. Auch andere differentiae specificae gerieten ins Wanken, etwa die des Symbolgebrauchs: Schimpansen können zwar nicht reden, aber die Gebärdensprache können sie ein Stück weit erlernen, und auch im Üblen schwand die Differenz: Schimpansen führen, als Einzige außer uns, Kriege, sie überfallen Nachbarn und schlagen sie tot.

Das tun sie nur, wenn sie stark in der Überzahl sind, und dann wirken sie – allesamt Männchen – arbeitsteilig zusammen, auch bei der Jagd auf andere Affen, die einen treiben, die anderen töten. Damit rütteln sie vernehmlich auch am letzten Grenzzaun zwischen ihnen und uns, an dem der Kooperation. Es gibt viele Experimente, vor allem von zwei Gruppen, und die eine – um Michael Tomasello (Leipzig) – sieht bei Schimpansen zwar hohe Intelligenz, aber keine Kooperation. „Wenn man etwas nicht findet, heißt das nicht, dass es das nicht gibt“, entgegnet de Waal, der das andere Lager anführt (inzwischen allein: Marc Hauser, der eher auf seiner Seite stand, nahm sich durch wissenschaftliches Fehlverhalten aus dem Spiel).

Und wenn man etwas nicht findet, hat das auch mit dem Design der Experimente zu tun: Oft wurde das Kooperationsvermögen von Affen mit Geräten getestet, an denen sie koordiniert je einen Knopf drücken sollten. Aber Knöpfe sind in der Natur eher rar, anders sieht es schon aus, wenn zwei an Seilen ziehen sollen. Aber auch da hat man bisher einfach zwei aus einer Gruppe ausgewählt und zum Experiment zusammengespannt.

Zu gleich! Zu zweit und dritt!

Das hat de Waal nun gemeinsam mit Malini Suchak geändert (PeerJ, 12.6.): Er hat einer elfköpfigen Schimpansengruppe, die seit über 30 Jahren im Yerkes National Primate Research Center zusammenlebt, ein Gerät präsentiert, in dem man Futter sieht. Aber davor ist ein Gitter, und das können nur zwei – oder, im zweiten Experiment: drei – gemeinsam öffnen, einer muss einen langen Schalter umlegen – bzw. zwei müssen es –, dann kann der andere das Futter „aktivieren“, es kommt so heraus, dass alle ihren Teil bekommen.

Das war schon das ganze Experiment, niemand animierte die Schimpansen dazu, niemand trainierte sie darauf. Und sie unternahmen es doch, aus eigenem Antrieb, sie kooperierten in hohem Ausmaß – nur ein Tier tat nicht mit –, das ist nicht einfach, sie müssen andere rekrutieren, sie müssen den Schalter umgelegt halten etc. Dabei taten sich vor allem Tiere mit gleichem Rang zusammen, die nehmen einander nichts weg. Erstaunlicher hingegen ist, dass neun der zehn erfolgreichen Kooperierer Weibchen waren. Bei denen kennt man, ganz anders als bei den Männchen, in der freien Natur keine Kooperation.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.06.2014)

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