Geoarchäologie: Gedächtnis der Sahara

(c) Kröpelin
  • Drucken

Ein einzigartiger See im Tschad bietet lange gesuchtes Klimaarchiv Nordafrikas.

Vor 4378 Jahren gab es im Norden des heutigen Tschad im Sommer einen Sandsturm.“ Das berichtet Stefan Kröpelin, Geoarchäologe an der Uni Köln, der „Presse“. Woher will er das wissen? Zwar ist der Forscher seit 30 Jahren in der weltgrößten Wüste – groß wie die USA – unterwegs und hat schon viel gefunden: Zuletzt rekonstruierte er die Klimageschichte der Ostsahara, die vor 10.500 Jahren ergrünte, Hirten und Herden aus dem Süden Raum bot und ihnen den wieder nahm, als vor 7500 Jahren das Pendel zurückschlug und manche der Hirten Zuflucht am Nil fanden, wo sie die dortige Zivilisation mitbegründeten (Science, 313, S.803).

Trockenheit auf einen Schlag?

Aber die gesamte Geschichte der Sahara ist gar nicht so einfach zu rekonstruieren, vor allem die letzten 3000 Jahre fehlen. Seit damals sind die letzten Gewässer ausgetrocknet, sie haben keine Klimaarchive mehr: keine Sedimente. So behalf man sich mit einem Bohrkern von der Atlantikküste des Kontinents und las aus ihm, die Trockenheit sei vor 7500 Jahren mit einem Schlag über den Kontinent gekommen. Klimamodellierer kamen zu einem ähnlichen Befund.

Aber Köpelin hat in Modellrechnungen so wenig Vertrauen wie in die Aussagekraft von Meeressedimenten für das Klima eines Kontinents. Er wusste, dass doch nicht alle Seen ausgetrocknet sind, sondern dass seit Jahrtausenden einer mitten in der Wüste existiert, Lake Yao im Tschad. Zwar verdunsten von ihm 6,2 Meter pro Jahr – und der Niederschlag bringt nur drei Millimeter –, aber er wird von Grundwasser versorgt.

„Seit 20 Jahren habe ich mit Sehnsucht von ferne auf diesen See gesehen“, berichtet Kröpelin, „aber seit den 60er-Jahren hat sich kein Forscher mehr hingetraut, die Region ist gefährlich – schon Herodot berichtete, dass dort Räuber leben – und vermint.“ Zudem toben dort die heftigsten Stürme der Sahara. Kröpelin schlug sich 2004 doch durch, er zog aus dem Seeboden einen neun Meter langen Bohrkern. „Die Ablagerungen sind ,geworft‘, sie zeigen nicht nur die einzelnen Jahre, sondern auch Sommer und Winter. Das ist Gold für Paläoforscher.“ Denn in den Sedimenten lagern Pollen, aus denen Klimaverschiebungen im Detail ablesbar sind. Und die Siedlungsgeschichte kann man auch rekonstruieren: „Wann wurde die erste Dattelpalme gepflanzt?“, fragt der Forscher, aber das will er noch nicht beantworten.

Dafür das: Es gab keinen abrupten Klimawandel – „das ist ein Mythos“ –, es war ein schleichender Übergang, der vor 2700 Jahren zu dem Ende kam, in dem sich die Sahara heute noch zeigt (Science, 320, S.765). Bald zieht Kröpelin wieder los, er will einen Bohrkern, der 12.000 Jahre zurückreicht.

SAHARA: Nicht immer Wüste

Die größte aller Wüsten war zweimal grün: Vor sieben Mio. Jahren lebte dort der älteste unserer Ahnen, Sahelanthropus tchadensis. Vor 10.000 Jahren lebten dort Hirten, die später die ägyptische Kultur mitaufbauten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.05.2008)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.