Astronomie: Chaos am gestirnten Himmel

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Wie Planetensysteme entstehen, schien seit Immanuel Kant geklärt. Aber die rasch steigende Zahl aufgespürter Exoplaneten wirft alles über den Haufen.

Am Anfang war – der Staub. Zumindest war er das am Anfang unseres Planetensystems, in Form einer rotierenden Wolke, in dessen Zentrum sich die erst Sonne bildete und um sie herum dann die Planeten. So stellte sich 1775 Immanuel Kant das vor („Allgemeine Naturgeschichte und Theorie des Himmels“), 1796 kam Pierre-Simon Laplace mit einer verwandten Idee, Schopenhauer nannte alles „Kant-Laplace'sche Theorie“. In ihren Grundzügen gilt sie bis heute – fast bis heute, dazu gleich – dort, wo die Wissenschaft Englisch spricht und das Ganze „core accretion theory“ heißt: Vor 4,6 Milliarden Jahren war dort, wo heute das Sonnensystem ist, nichts als Staub und Gas, 99 Prozent Wasserstoff und Helium, der Rest schwerere Elemente, vom Kohlenstoff bis zum Eisen. Ein Teil des Wasserstoffs und Heliums fand sich zur Sonne zusammen – und zündete in Kernfusion –, der Rest der Urwolke wirbelte um sie herum – um ihren Äquator – und bildete eine Scheibe. Als die abkühlte, zogen sich Staubteilchen elektrostatisch aneinander und bildeten Planetesimale, kilometergroße Himmelskörper, die brachten die Gravitation ins Spiel, sie kollidierten, manche wurden größer, andere kleiner. Und alle wurden auf ihrer Rotation vom umgebenden Gas gebremst, das brachte die kreisförmigen Umlaufbahnen um den Stern. In dessen Nähe war es heiß, dort konnten sich nur Staubteilchen mit hohem Schmelzpunkt halten. Aus ihnen wurden die kleinen inneren Planeten, die Gesteinsplaneten. Weiter draußen war es kühler, es gab zudem viel mehr Material, die Planeten wurden riesig, sie zogen auch Gas in sich hinein, wurden zu Gasriesen.
So geordnet war „der gestirnte Himmel über mir“ – mit dessen ewiger Ordnung laut Kant nur „das Sittengesetz in mir“ mithalten konnte – bis 1995, da wurde der erste (gesicherte) Planet in einem anderen Sonnensystem gesichtet, 51 Pegasi. Der hatte die 150-fache Masse der Erde, war also ein Gasriese, aber er umrundete seinen Stern in nur vier Tagen und einer Entfernung von 0,05 Astronomischen Einheiten (AE: Die Erde ist eine AE von der Sonne entfernt). Da ist es mit 2000 Grad Kelvin viel zu heiß für einen Gasriesen. Man nannte den Neuen einen „heißen Jupiter“ und fand bald andere Exoplaneten, die auch nicht zum Modell passten, manche haben elliptische Bahnen statt runder,  andere umkreisen ihren Stern nicht um den Äquator herum, sondern um die Pole.

Rätselhafte Supererden


Dann geriet alles durcheinander: Zunächst hatte man Exoplaneten an ihrer Gravitationswirkung auf ihren Stern detektiert, damit fand man nur sehr massereiche Planeten, nun kam eine neue Methode hinzu: Die Planetenjäger können die leichten Helligkeitsunterschiede messen, die auftreten, wenn ein Planet zwischen seinem Stern und den Beobachtern hindurchzieht. Inzwischen kennt man viele Exoplaneten, als gesichert gelten, Stand 21. Mai, 1792 in 1112 Systemen. Zwei muss man gleich wieder abziehen, Gliese 581f und g, sie waren Produkte der Fantasie bzw. einer Fehlinterpretation: Das optische Signal, das Planeten vorgaukelte, stammte vom Muttergestirn selbst (Science, 3. 7.).
Diese beiden waren bei ihrer „Entdeckung“ besonders laut beworben worden, sie lagen in der habitablen Zone – mögliches Leben! –, aber sie waren wieder ein ganz neuer Typ: Supererden. Die haben mehr Masse als die Erde und sind doch näher an ihren Sternen. Sie stellen 40 Prozent aller Exoplaneten, in unserem Sonnnensystem gibt es sie hingegen überhaupt nicht. Einen Namen hat man ihnen also gegeben, so wie den „heißen Jupitern“ auch, erklären kann man die einen so wenig wie die anderen: So nahe bei den Sternen dürfte laut „core accretion“ schlichtweg nicht genug Baumaterial für massereiche Himmelskörper vorhanden gewesen sein.
Man sucht Auswege in dichteren Urwolken oder darin, dass diese Planeten sich weit draußen gebildet haben und dann nach innen zogen: „Wanderung, Wanderung, Wanderung“, erklärt etwa Douglas Lin (UC Santa Cruz), aber das Mantra kann nicht erklären, warum die Wanderungen ein Ende hatten und die Wanderer nicht in ihre Sterne gestürzt sind. Und warum es eben bei uns keine Supererde gibt (Nature 511, S, 22).
Immerhin, ein altes Rätsel ist gelöst, das der Herkunft des Baumaterials aller Planetensysteme, des Staubs. Bisher vermutete man, dass der von Supernovae kommt, Sternen, die ausgebrannt sind und explodieren. Das Problem ist nur, dass von der Theorie her die Temperatur bei Supernovae so hoch ist, dass alles verdampft. In der Praxis hält bzw. bildet sich aber doch Staub, das hat Christa Gall (Aarhus) an einer Supernova beobachtet, die Staubteilchen waren sogar relativ groß, ein Mikron. Staub, der noch bei uns herumschwirrt, ist viel kleiner (Nature, 9. 7.). Offenbar wird viel Material schon vor der finalen Explosion vom Stern abgestoßen, in kleineren Eruptionen, deren Auswurf sich wie eine Hülle um den Stern legt. Die dämpft dann die Schockwelle der Explosion so gut, dass es in ihrem Inneren kühl genug bleibt für Staub.

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