Soll Fälschung in der Forschung unter das Strafrecht fallen?

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FILE JAPAN STAP CELL OBOKATA(c) APA/EPA/KIMIMASA MAYAMA
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Medizinjournal initiiert Debatte über rechtliche Folgen für „misconduct“.

Anfang Juli zog die japanische Molekularbiologin Haruko Obokata Publikationen zurück (Retraktion), mit denen sie im Februar in Nature berühmt wurde: Ihr sei es gelungen, embryonale Stammzellen auf einem revolutionären Weg herzustellen. Das war von A bis Z erfunden, die Daten waren fabriziert, die Fotos manipuliert. Es war der bisher letzte Fall von wissenschaftlichem Fehlverhalten („misconduct“) und erinnerte fatal an jenen des koreanischen Stammzellenfälschers Hwang.
Obokata wird ihren Job verlieren, das ist alles. Hwang verlor seinen zwar auch, ist aber längst wieder da. Immerhin hat er die Justiz am Hals, ihm droht Haft, die Verfahren laufen noch. Wie soll man mit solchen Fällen umgehen? Soll man auf die Selbstheilungskräfte der Wissenschaft vertrauen oder „misconduct“ unter Strafe stellen? Darüber debattieren im British Medical Journal (15. 7.) Julian Crane (Wellington) und Zulfiqar A. Bhutta (Toronto).

Folgenreiche Fälschungen


Beide sind Ärzte, beide erinnern an eine der folgenreichsten Fälschungen in der Medizin: 1998 publizierte der britische Arzt Andrew Wakefield in Lancet – einer der führenden Medizinfachzeitschriften –, er habe einen Zusammenhang zwischen einem Kombinationsimpfstoff (gegen Mumps, Masern, Röteln) und Autismus gefunden. Daraufhin sanken die Impfraten vor allem in Großbritannien stark. 2010 erzwang Lancet eine Retraktion, es war eine Fälschung mit unappetitlichem Hintergrund: Wakefield hatte Geld von Anwälten angenommen, die den Impfstoffhersteller verklagen wollten. Wakefield geschah nichts, er wanderte in die USA aus und eröffnete dort eine Praxis.
„Er lebt als freier Mann in Texas“, empört sich A. Bhutta und erinnert an einen Anästhesisten, dessen „misconduct“ vielen Patienten böse Schmerzen brachte: Er büßte mit sechs Monaten Haft. Das ist die Ausnahme, A. Bhutta will sie zur Regel machen, um dem Einhalt zu gebieten, was Arturo Casadevall 2012 als „retraction epidemic“ grassieren sah: Die erste Retraktion gab es 1977, bis 2012 hatten sich 2047 summiert. Hinter 67 Prozent stand „misconduct“ – vor allem Betrug –, beim Rest ging es um Irrtum etc. Die Tendenz beim „misconduct“ ist stark steigend, A. Bhutto will deshalb Forschungsbetrug so behandelt sehen wie Finanzbetrug.
Nein, entgegnet Crane, er liest etwas anderes aus den 2047 Retraktionen: Rechnet man jeden „misconduct“ gegen alle Publikationen, kommt auf 18.234 ein Fall. „Es ist kein so großes Problem“, schließt Crane, und für ihn auch keines, das sich mit dem Strafrecht eindämmen ließe. Sondern eines des steigenden ökonomischen Drucks auf Forscher: „Publish or perish!“ – „perish“ heißt „verrecke“. (jl)

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