Astrophysik: Ist Voyager 1 doch noch im Sonnensystem?

(c) EPA (Nasa)
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Der Bote der Menschheit, der am weitesten ins All vorgedrungen ist und dessen Eintritt in den interstellaren Raum schon oft gefeiert wurde, hat den entscheidenden Beleg noch nicht geliefert.

„Voyager 1 verlässt gerade das Sonnensystem“, jubelte die Nasa im Juni 2012, im Oktober legte sie nach, die Raumsonde habe es gerade getan. Geschehen sei das im August, da habe Voyager 1 einen starken Wandel der kosmischen Strahlung gemessen, der zeige, dass sie endgültig in den interstellaren Raum vorgedrungen sei. Die Schlagzeilen nahmen es gern zur Kenntnis, Voyager 1 hat sie oft schon gefüllt: Gestartet wurde die Sonde am 5. September 1977, sie sollte die Planeten des Sonnensystems und ihre Monde erkunden, 1979 flog sie am Jupiter vorbei, 1980 am Saturn, damit war die Mission erfüllt.

Aber Voyager 1 war bei so guten Kräften, dass sie nicht nur flog und flog, sondern auch Daten sendete, sie tut es bis heute, manche Messgeräte funktionieren noch, und auch die bei der Nasa, die die Signale auswerten, sind die Veteranen von einst an ihren Computern von einst. Also wurde die Aufgabe umdefiniert, am 1. Januar 1990 begann die „Voyager Interstellar Mission“, in der sollte zunächst die Grenze des Sonnensystems erkundet werden und dann eben der interstellare Raum.

Dessen Erreichen wurde im März 2013 noch einmal gemeldet, nun habe Voyager 1 definitiv das Sonnensystem verlassen, darüber herrsche „Konsens“. Aber das tut er nicht, und das liegt daran, dass man nur vermuten kann, wie es an der Grenze des Sonnensystems aussieht, an der Heliosphäre. Das ist die riesige „Blase“ um die Sonne herum, innerhalb derer die Sonne mit ihrem Sonnenwind regiert, geladenen Teilchen und Magnetfeldern, sie halten kosmische Teilchen fern. Deren starke Häufung und die Ausdünnung des Sonnenwinds waren der Grund für den Nasa-Jubel 2012, erst vor drei Wochen wurde es wieder bestätigt, ein starker Ausbruch der Sonne hatte es ermöglicht, er drängte die Teilchen um Voyager 1 herum zusammen: Es war eine dichte kosmische Suppe, kein dünner Rest eines Sonnensturms.

All das überzeugt George Gloeckler und Lennard Fisk (University of Michigan) überhaupt nicht. Sie vermuten, dass durch magnetische Kräfte an der Innenseite der Grenze kosmisches Material in die Blase hineingezogen werden kann, und verweisen darauf, dass man nichts Genaues weiß über die Magnetfelder ganz außen. Außer einem: Das Magnetfeld der Sonne müsste sich wegen der Rotation der Sonne kurz vor der Innengrenze der Heliosphäre umpolen, im „current sheet“. Und das müsste Voyager 1 messen, die Sonde könnte es noch. Aber sie hat es nicht gemessen, ergo: Sie ist noch im Sonnensystem (Vorabmeldung American Geophysical Union, bald in Geophysical Research Letters). Gloeckler/Fiskit erwarten, dass Voyager I bis 2016 die „current sheed“ durcheilt und die Umpolung meldet. Die Gegenseite nimmt diesen Vorschlag durchaus ernst, Stephen Fuselier (San Antonio) etwa konzediert: „Wenn sie recht haben, sind sie Helden.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.07.2014)

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