Die Kläranlage als Energielieferant

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Wissenschaftler wollen Wärme aus Abwasser besser für die Energieversorgung nutzbar machen.

Pro Person und Tag werden in Österreich rund 150 Liter Trinkwasser verbraucht und im Kanal entsorgt. Dabei steckt in unseren Abwässern eine Menge Energie, die zum Heizen und Kühlen verwendet werden kann. In Österreich wird die Wärme dieser Ressource jedoch noch kaum genutzt. In der Schweiz, in Skandinavien und in Deutschland existieren bereits viele solcher Anlagen.

Das Wasser, das zum Duschen, Wäsche waschen und dergleichen verwendet wird, gelangt etwa im Winter mit einer Temperatur um 10°C in den Kanal und kann so gut genutzt werden. Mit Hilfe eines Wärmetauschers wird dem Abwasser Wärmeenergie entzogen und mit Wärmepumpen auf das benötigte Temperaturniveau gebracht. Vom Angebot her könnte so theoretisch etwa ein Achtel aller Wohnungen in Österreich mit Wärme aus Abwasser beheizt werden.

Wird Abwasser für Kühlzwecke verwendet, so ist dies optimal, da ständig neues Wasser am Wärmetauscher vorbeifließt und im Gegensatz zu Luft die Wärmekapazität von Wasser sehr hoch ist. Neben Wärme kann aber auch Strom und Gas produziert werden: Mikroorganismen, die in der Kläranlage bei der anaeroben Stabilisierung bzw. Faulung tätig sind, produzieren Klärgas, das dem Erdgas sehr ähnlich ist. Über ein Blockheizkraftwerk kann das Klärgas in Strom und Wärme umgewandelt werden. Der Strom kann direkt in der Kläranlage verwendet oder in das öffentliche Stromnetz eingespeist werden.

Raumplanung einbeziehen.
Nun soll diese Technologie in einem Projekt unter der Leitung der Österreichischen Energieagentur gemeinsam mit der Boku Wien, der TU Graz, des Austrian Institute of Technology, der Firma Ochsner Wärmepumpen und dem Schweizer Verein InfraWatt für die breite Anwendung in Österreich aufbereitet werden. „Unser Projekt ist einzigartig, weil wir auch die Raumplanung miteinbeziehen“, sagt Thomas Ertl, Leiter des Instituts für Siedlungswasserbau, Industriewasserwirtschaft und Gewässerschutz der Boku. „Bei der Umsetzung solcher Anlagen muss man darauf achten, dass sich in der Umgebung auch Abnehmer für die Nutzung der Wärme befinden“, so Ertl weiter. Wegen der Angst vor Geruchsbelästigung wurden Kläranlagen früher aber eher weiter weg von Siedlungen gebaut.

Im Projektteil Raumplanung werden derzeit Wärme- und Kältenutzungsmöglichkeiten in Abhängigkeit von der Lage der Kläranlagen geprüft, so Gernot Stöglehner vom Institut für Raumplanung und Ländliche Neuordnung der Boku. Untersucht werden etwa Energieversorgungsoptionen im Siedlungsraum für Wohngebäude, öffentliche Einrichtungen, Gewerbe- und Industriebetriebe sowie die Nutzung in der Land- und Forstwirtschaft. In drei Fallstudien in Oberösterreich, Tirol und dem Burgenland, soll gezeigt werden, unter welchen Rahmenbedingungen die Ideen umsetzbar sind und wie sich die abwassertechnische Infrastruktur in regionale Energieversorgungskonzepte einbinden lässt.

Lexikon

Abwasser kann entweder vor oder nach der Kläranlage genutzt werden.

Vorher: Hier wird entweder ein Wärmetauscher in das Kanalrohr eingebracht oder das Abwasser wird teilweise aus dem Kanal entnommen, gesiebt, einem externen Wärmetauscher zugeführt und wieder in den Kanal zurückgeleitet.

Nachher: Beim Ablauf der Kläranlage fließen große Mengen an Abwasser ab, deren Energie mittels Wärmepumpen über Wärme- und Kältenetze für Abnehmer im Umkreis nutzbar gemacht werden kann.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.07.2014)

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