Himbeeren und Trauben gegen Rheuma nutzen

Entzündungshemmend. Erkrankungen des Bewegungsapparats sind vor allem bei älteren Menschen weit verbreitet. Wiener Forscher untersuchen, wie sich Substanzen aus der Natur dagegen einsetzen lassen.

Degenerative Gelenkserkrankungen, sogenannte Arthrosen, sind die häufigsten Erkrankungen des Stütz- und Bewegungsapparats bei Menschen über 60 Jahren. Um den Heilungs- und Behandlungsprozess mit nicht medikamentösen Therapieansätzen voranzutreiben, untersuchen Wissenschaftler am Ludwig-Boltzmann-Institut für Rheumatologie und Balneologie in Wien die Wirkung verschiedener natürlich vorkommender Substanzen.

Ein Stoff, der im Zentrum der Forschung steht, ist molekularer Schwefel bzw. Schwefelwasserstoff: wesentlicher Bestandteil des Heilwassers der Therme in Wien-Oberlaa und für Therapiezwecke insbesondere von Hüft- und Kniegelenksarthrosen sowie Hauterkrankungen wie Neurodermitis seit Jahrzehnten eingesetzt.

Schwefelwasserstoff wirkt entzündungshemmend und gefäßerweiternd. Vor allem bei kardiovaskulären Erkrankungen wie Bluthochdruck ist das ein gewünschter Effekt. „Die Badedauer von rund 20 bis 30 Minuten dreimal die Woche über eine Zeitspanne von drei Wochen beruht auf jahrzehntelangen balneologischen Erfahrungen im Gesundheitszentrum Oberlaa“, sagt Burkhard Klösch, Laborleiter des Forschungsinstituts. Das Forschungsteam will mit seiner Arbeit den molekularen Mechanismus von Schwefelwasserstoff in Zellkulturen aufklären. Das soll dazu beitragen, das Therapieszenario zu verbessern und wissenschaftlich abzusichern. Schwefelwasserstoff ist jedoch ein sehr flüchtiges Molekül, das heißt, es hat eine sehr kurze Halbwertszeit und ist daher in der Zellkultur nur sehr begrenzt einsetzbar. Daher testet man derzeit zusammen mit Forschern des Departments of Chemistry der Washington State University synthetisch hergestellte schwefelhaltige Verbindungen, die chemisch stabil sind und Schwefelwasserstoff über einen längeren Zeitraum freisetzen.

Wirken gegen Krebs

Im Fokus der Forschung stehen auch zwei Substanzen, die für ihre antioxidative Wirkung seit Langem bekannt sind: Curcumin, der gelbe Farbstoff der Gelbwurz, und Resveratrol, das beispielsweise in Erdnüssen, Himbeeren, roten Trauben und somit auch im Wein vorkommt. Beide Stoffe haben eine entzündungs- und krebshemmende Wirkung.

In Kooperation mit Thomas Erker vom Department of Pharmaceutical Chemistry der Uni Wien arbeitet Klöschs Team auch an Curcumin- und Resveratrol-Derivaten, also an Stoffen mit ähnlicher Struktur, die ein noch höheres Wirkungspotenzial aufweisen sollen als die natürlich vorkommenden Antioxidantien. „Uns ist es gelungen, Derivate herzustellen, die eine fünf- bis zehnmal stärkere Wirkung haben als die Naturstoffe selbst“, streicht Klösch hervor. Der Nachteil: Sowohl die Naturstoffe als auch die synthetisch hergestellten Moleküle sind nahezu wasserunlöslich, weshalb sie nur sehr schwer vom Körper aufgenommen werden.

Um die Aufnahme in die Zellen zu erleichtern, will man die Moleküle in Liposomen, also in Fettvehikel, verpacken. Daran arbeitet die Klosterneuburger Firma Polymun, anerkannt als Kompetenzcenter für BioMolecular Therapeutics. „Wenn das gelänge, ließen sich die hochwirksamen Substanzen auch direkt ins Gelenk injizieren. Sie wären als Alternative zu den herkömmlichen Hyaluronsäure- und Collagen-Injektionen denkbar“, so Klösch.

Bevor diese Substanzen für die Anwendung am Menschen verfügbar sind, müssen sie aber noch an speziellen Mäusemodellen getestet werden.

LEXIKON

Antioxidantien sind Stoffe, die Zellen vor freien Radikalen, sogenannten hochreaktiven Sauerstoffverbindungen, schützen. Freie Radikale führen oftmals zu gesundheitlichen Problemen wie Alzheimer, Krebserkrankungen und Arteriosklerose. Natürliche Antioxidantien kommen beispielsweise in frischem Obst und Gemüse, in Pflanzenölen, Kakao, Tee, Kaffee und Zimt vor. Oxidativer Stress wird auch mit Alterungsprozessen in Verbindung gebracht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.08.2014)

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