Kleinbetriebe: Skeptisch gegenüber Wissenschaft

Angewandte Forschung. Johann Jäger, Geschäftsführer der Austrian Cooperative Research (ACR), wurde kürzlich in den europäischen Dachverband für angewandte Forschungsinstitute gewählt.

Die Presse: Sie hatten Leitungsfunktionen in CERN und Stanford. Sie kennen die Gegebenheit in anderen Ländern. Wo steht Österreich im internationalen Vergleich, was die angewandte Forschung betrifft?

Johann Jäger: Was Österreich auszeichnet, ist die Unterstützung der öffentlichen Hand. Was früher der Forschungsförderungsfonds (FFF) gemacht hat und nun die Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) macht, ist ein Vorzeigemodell, das man in anderen Ländern nicht findet. Es ist ein gutes Pflaster für die angewandte Forschung.

Wehklagen über das mangelnde Budget gibt es in Wissenschaft und Forschung aber sehr häufig. Ist das in der angewandten Forschung etwas anderes?

Das ist ganz sicher so. Die Drittmittel an den Unis sind im Zunehmen. Und es gibt viele gute Programme, wie COMET und BRIDGE.

Sie sind seit 1995 Geschäftsführer der ACR. Haben sich die Bedingungen verbessert oder verschlechtert?

Zwischen 2004 und 2009 war es super. Nun mangelt es an Geld der öffentlichen Hand, um verstärkt in die Forschung zu investieren.

Es gibt nun ein gemeinsames Wirtschafts- und Wissenschaftsministerium. Ist das für die angewandte Forschung ein Vorteil?

Das kann von Vorteil sein. Der Austausch zwischen Wissenschaft und Wirtschaft kann innerhalb eines Ministeriums besser funktionieren.

Arbeitsweise, Sprache und Zeitdruck sind in der Wirtschaft anders als in der Wissenschaft. Ist die Zusammenarbeit schwierig?

Da muss man zwischen den Groß- und den Klein- und Mittelbetrieben (KMU) unterscheiden.

Inwiefern?

In Industriebetrieben gibt es meist Personen, die sich in der Forschungsszene auskennen und die Sprache der Unis, Fachhochschulen und Forscher verstehen. Problematisch ist, dass Klein- und Mittelbetriebe gegenüber Wissenschaftlern oft noch reserviert sind.

Muss sich die Wissenschaft den KMU annähern oder umgekehrt?

Ich glaube nicht, dass sich die Wissenschaft den KMU stark annähern wird, weil diese eben keine Aufträge über zehn-, zwanzig- oder dreißigtausend Euro vergeben. Wir reden hier von 3000 bis 10.000 Euro. Problematisch ist es, wenn KMU kein Vertrauen zu Forschern haben. Das Unternehmen muss sich darauf verlassen können, dass der Forscher so arbeiten wird, dass das KMU daraus einen Return of Invest ziehen kann. Es geht nicht um ein Forschungspapier mit 50Seiten. Der Unternehmer will es in der Brieftasche spüren.

Erhöht sich dadurch der Zeitdruck für Forscher nicht enorm?

Ja. Der Zeitdruck ist bei den kleinen Betrieben wesentlich größer als bei den Großbetrieben. Sie denken in anderen Dimensionen. Am Jahresende muss die Kassa stimmen.

Wie geht man damit um?

Ich weiß, dass die Forscher in unseren Instituten, die aus den Unis kommen, zwei bis drei Jahre brauchen, um zu merken, dass die KMU anders als die Großbetriebe ticken. Solche Dinge sollten an den Unis und FH vermittelt werden.

Sie arbeiten vielfach mit Klein- und Mittelbetrieben zusammen. Warum eigentlich?

Das ist einfach: 99,6 Prozent der 300.000 Unternehmer in Österreich sind KMU. Dort ist ein wichtiger Teil der Wirtschaft, die unterstützt gehört, um wettbewerbsfähig zu sein. Das wissen die KMU auch. Die Großen können sich selbst helfen, die Kleinen haben keine Entwicklungsabteilung.

ZUR PERSON

Johann Jäger (61) ist Geschäftsführer der Austrian Cooperative Research (ACR). Seit Kurzem vertritt er Österreich im Vorstand des europäischen Dachverbands für angewandte Forschungsinstitute, EARTO. Jäger studierte Technische Mathematik und Informationsverarbeitung an der
TU Graz. [ ACR ]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.08.2014)

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