Wie man aus Tabakpflanzen Antikörper herstellt

Arznei. Bisher gibt es kein zugelassenes Heilmittel gegen eine Infektion mit Ebola. Die WHO hat nun den Einsatz eines noch nicht am Menschen getesteten Medikaments erlaubt. Wichtige Bausteine dafür kommen von Wiener Forschern.

Die Situation in den betroffenen westafrikanischen Staaten spitzt sich zu, auch weil es weder eine Impfung noch ein Heilmittel gegen Ebola gibt. Nun hat sich die Weltgesundheitsorganisation (WHO) für den Einsatz noch nicht am Menschen erprobter Wirkstoffe ausgesprochen. ZMapp heißt ein Antikörperpräparat aus den USA, das allerdings erst an Mäusen und Affen getestet wurde. Mit dem Wirkstoff aus einer mit Tabak verwandten Pflanze kommt eine entscheidende Basis dafür aus Österreich.

Die Nachricht, dass ihr Wirkstoff nun zum Einsatz kommt, überraschte die Molekularbiologin Herta Steinkellner von der Abteilung für Angewandte Genetik und Zellbiologie der Boku Wien in den USA, wo sie eben ihre Kooperation mit Mapp Biopharmaceutical, dem Hersteller von ZMapp, verlängerte. Seit 15 Jahren arbeitet eine Forschergruppe um Steinkellner an Nicotiana benthamiana, einer mit dem Tabak verwandten Modellpflanze – Grundlagenarbeit, die unter anderem vom Wiener Wissenschafts-, Forschungs- und Technologiefonds WWTF, dem Österreichischen Wissenschaftsfonds, FWF, der Europäischen Union und dem Laura-Bassi-Zentrum unterstützt wurde.

Schlüssel-Schloss-Prinzip

Um gezielt Antikörper herzustellen, schalteten sie bestimmte Gene der Pflanze aus. „Entscheidend ist, dass sich ein Muster bilden lässt, das gegen das Virus wirkt.“ Diese Aufgabe erfüllen monoklonale Antikörper, mit denen sich Eindringlinge wie Viren „wie bei einem Schlüssel-Schloss-Prinzip“ sehr gezielt vertreiben lassen. „Verändert man die Zuckerketten des Antikörpers, sind diese noch wirksamer“, so Steinkellner. Tabakähnliche Pflanzen eignen sich besonders, da sie mit ihren großen Blättern viel nutzbare Biomasse bieten. Dass sich mit Pflanzen menschliche Proteine, also Eiweißstoffe, herstellen lassen, sei seit etwa 20 Jahren bekannt. „Tierische Zellen sind komplexer, pflanzliche leichter zu manipulieren“, so die Forscherin.

Bereits 2008 veröffentlichten die Wiener Forscher erste Ergebnisse. 2011 folgte mit einem internationalen Forscherteam eine Publikation in „PNAS“, der Zeitschrift der Amerikanischen Akademie der Wissenschaften. Der Wirkstoff wurde in den USA bereits an Tieren getestet. Die Zulassung für die erste klinische Studie auf Nebenwirkungen an Menschen erfolgte im Juli, sie sollte der nächste Schritt sein.

Steinkellner selbst zeigt sich skeptisch und warnt vor verfrühter Euphorie: „Das Mittel hat Potenzial, ist aber noch in einer experimentellen Phase, wurde also noch nie am Menschen getestet.“ (gral)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.08.2014)

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