Was ist schwache Messung?

Quantentheorie. Kann man ein System messen, ohne es zu zerstören? Ja, aber nur, wenn die Messung genügend ungenau ist.

Der Messprozess ist vielleicht das zentrale Mysterium der Quantenmechanik. Die Theorie erklärt präzise, welche Messwerte die Forscher erwarten können, wenn ein Quantensystem mit einem Messgerät oder einem anderen Teil der makroskopischen Welt interagiert. Wie diese Interaktion genau vonstattengeht, darüber macht die Theorie jedoch keine Aussage. Mehr noch: Die Theorie braucht die makroskopische Welt, eine Umwelt, die nicht nach den Regeln der Quantenmechanik funktioniert, und mit der das Quantensystem beim Messprozess wechselwirkt. Damit ist auch ausgeschlossen, dass die Quantentheorie die klassische Mechanik als genauere, bessere Beschreibung der Natur vollständig ablösen kann.

Erst seit knapp 20 Jahren ist der Messprozess selbst Gegenstand von Untersuchungen. Die Idee war, das Messgerät selbst als Quantensystem zu betrachten, das von außen mithilfe weiterer Messgeräte untersucht wird. Auf diese Weise gelang es, das Konzept der „schwachen Messung“ zu entwickeln.

Normalerweise ist die Messung ein gravierender Eingriff in ein Quantensystem: Die typischen Quanteneffekte – Verschränkungen, Interferenzen – werden beim Messprozess zerstört. Untersuchungen des Messprozesses haben aber gezeigt, dass eine genügend „ungenaue“ Messung, wenn der Messfehler groß genug ist, das System ungestört lässt. Eine solche Messung bezeichnet man als schwache Messung. Es ist also möglich, dem System Information zu entlocken, ohne dabei die Quanteneffekte zu stören.

Umstrittenes Konzept

Tatsächlich ist das Konzept der schwachen Messung nicht unumstritten: Es wurde behauptet, dass sich damit die Regeln der Quantenmechanik brechen ließen und Prinzipien wie die Heisenbergsche Unschärferelation umgangen werden kann. Das ist nicht der Fall: Alles passiert innerhalb der Regeln der Quantentheorie, wie auch Yuji Hasegawa und Stephan Sponar von der TU Wien betonen. Streng genommen handelt es sich bei schwachen Messungen nicht um Messungen im quantenmechanischen Sinn.

Die Diskussion dreht sich, wie so oft, allein um die Interpretation der Ergebnisse. Unabhängig davon ist die Tatsache, dass sich das Konzept nutzen lässt, um die Wechselwirkung zweier verschränkter Systeme (in diesem Fall Teilchen und Messgerät) zu kontrollieren. Etwaige technische Anwendungen von Konzepten wie der „Quanten-Grinsekatze“ werden von Interpretationsproblemen also nicht beeinflusst sein. (kl)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.08.2014)

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