Versteckt sich die Erwärmung im Atlantik?

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Die lange überfällige Debatte über den Stillstand des Klimawandels kommt in Gang.

Die Konzentrationen des Treibhausgases Kohlendioxid (CO2), in der Atmosphäre steigen und steigen, und nach den Gesetzen der Physik müssten die Temperaturen mit nach oben gehen. Aber die Thermometer geben andere Auskunft: Seit 1998 steht die globale Erwärmung still, die Temperaturen sind hoch, aber sie steigen nicht. Viele Klimatologen haben das lange ignoriert, inzwischen ist der „Hiatus“ – so nennt man nun die Diskrepanz zwischen Erwartetem und Eingetretenem – nicht mehr zu verdrängen, von allen Seiten kommen Erklärungsversuche.

Über 20 gibt es inzwischen, sie teilen sich in zwei Gruppen: Die einen sehen die Einstrahlung der Sonne durch irgendetwas geschwächt, durch die Sonne selbst oder durch Schwebstoffe in der Atmosphäre, mögen sie aus Chinas Kohlekraftwerken stammen oder aus Vulkanen. Die anderen vermuten, dass die Wärme zwar da ist, aber sich irgendwo versteckt. Große Auswahl gibt es nicht: Atmosphäre und Kryosphäre, das Eis, können nur zehn Prozent der Wärme aufnehmen, der Rest muss in den Meeren sein. Aber wo? Vor einem Jahr kam, via Nature, die Lösung: Die Wärme sei in den Tiefen des Pazifiks.

Natürlicher 30-Jahre-Rhythmus?

Nun kommt, via Science (345, S. 897), das Dementi: In den Tiefen des Atlantiks stecke sie. Das schließen Xianyo Chen (Quindao) und Ka-Kit Tung (University of Washington, Seattle) aus großflächigen Messungen seit den 1970er-Jahren, auch mit Sensoren, die in 2000 Metern Tiefe im Meer sind: Demnach gibt es einen natürlichen Rhythmus, der periodisch den „conveyer belt“ beschleunigt und bremst: Dieses Fließband besteht aus gigantischen Meeresströmungen, die im Nordatlantik beginnen. Dort sinkt Oberflächenwasser ab, geht nach Süden, um die Erde herum, es kommt als warmes Oberflächenwasser zurück („Golfstrom“). Dieser Rhythmus ist demnach derzeit in seiner beschleunigten Phase, da nimmt er aus dem Nordatlantik viel Wasser und Wärme mit nach unten, dort wird die Wärme eingelagert.

Und zwar noch einige Zeit: Die beiden Phasen dauern jeweils 30 Jahre. „Wir haben die fehlende Hitze gefunden“, ist Chen sicher. Damit überzeugt er nicht alle: „Es ist der Pazifik, nicht der Atlantik“, ist sich Kevin Treberth (Boulder) ebenso gewiss (Nature Climate Change, 17. 8.). Dem widersprach wieder Axel Timmermann aus Honolulu (Nature Climate Change, 3. 8.): Es sei doch der Atlantik, seine Erwärmung verändere die Winde so, dass im Pazifik mehr Wärme nach unten gehe. Immerhin, die lange vernachlässigte Debatte kommt auf Touren.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.08.2014)

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