Sichere Stromnetze von morgen

Themenbild
Themenbild(c) Die Presse (Clemens Fabry)
  • Drucken

Windkraft oder Photovoltaik bringen neue Herausforderungen für das Stromnetz. Wiener Wissenschaftler untersuchen, wie man diesen am besten begegnet.

Woher kommt eigentlich der Strom? Aus der Steckdose, so die naive Antwort. Eine differenziertere Beantwortung dieser einfachen Frage ist allerdings nicht ganz trivial: Unsere Stromnetze sind komplizierter geworden. Während Gas- oder Kohlekraftwerke große, zentrale Anlagen sind und je nach Bedarf hoch- oder niedergefahren werden können, sind erneuerbare Energien wie Windkraft oder Photovoltaik nicht durchgehend verfügbar, werden in kleineren Anlagen gewonnen und stellen das Stromnetz so vor neue Herausforderungen.

Die dezentrale Organisationsstruktur der sogenannten Smart Grids erinnert dabei an das Internet und wirft auch ähnliche Fragen auf: Wie steht es etwa mit Sicherheit? Das Forschungsprojekt Smart Grid Security Guidance, kurz (SG)2, unter Leitung des Austrian Institute of Technology (AIT) widmet sich diesem Thema.

„Früher war man es gewohnt, dass Strom nur in eine Richtung fließt, nämlich vom Erzeuger zum Verbraucher“, erklärt Projektleiterin Lucie Langer vom AIT. „Inzwischen speisen Verbraucher oft auch selbst Strom ins Netz, etwa aus Photovoltaik. Da gab es einen Paradigmenwechsel.“

Auf Angreifer vorbereiten

Um ein modernes Stromnetz zu steuern, braucht es deshalb ein eigenes Kommunikationsnetz, das Informationen zwischen Erzeugern und Verbrauchern verteilt – neben dem Stromkabel verläuft also, vereinfacht gesagt, eine Datenleitung. Früher waren Steuerungseinheiten abgeschottet und von außen nicht zugänglich, doch moderne, interaktive Steuerungssysteme sind im Prinzip nichts anderes als Computer in einem Netzwerk – und solche kann man hacken. Doch wie hackt man ein Stromnetz? Dabei muss man nicht gleich an Computer-Terroristen denken, die einen landesweiten Blackout provozieren wollen. Bei Hackern geht es oft um den Reiz, ein neues System auf Schwachstellen zu prüfen.

„Wir versuchen, uns auf alle möglichen Angreifer vorzubereiten, vom einfachen Verbraucher bis hin zu gut ausgestatteten kriminellen Organisationen“, so Langer. Intelligente Stromzähler, sogenannte Smart Meter sind etwa ein lohnendes Ziel für Betrüger, die das Netz anzapfen wollen, ohne zu bezahlen. Langers Team reagiert darauf einerseits mit bewährten Sicherheitstechnologien, etwa Kryptografie. Ist die Kommunikation des Stromnetzes verschlüsselt, kann sie nicht manipuliert werden.

Man müsse aber auch ganzheitlich denken und schon beim Netzbetreiber nach der Sicherheit fragen. Die Komponenten dort haben oft 20, 30 Jahre Laufzeit, Nachbesserungen oder Updates sind aufwendig. Computersicherheit und Elektrotechnik – laut Langer treffen hier sehr unterschiedliche Welten aufeinander. Wichtig sei, dass man Minimalprinzipien einhält, also nur einbaut, was man wirklich braucht. Ungenützte Funktionen seien beliebte Hintertüren für Hacker. Neben solchen Grundprinzipien bleibt nur ausgiebiges Testen.

Maßnahmenkatalog erarbeitet

Neben dem Gefährdungspotenzial hat man auch übliche Steuerungskomponenten betrachtet und ist fündig geworden. „Ein erster Maßnahmenkatalog für Verbesserungen steht“, so Langer. Dank ihrer Arbeit werden neue Netze jedenfalls ein hohes Maß an Sicherheit aufweisen.

LEXIKON

Smart Grid. Dezentral organisiertes Stromnetz, das über Kommunikationstechnologien verfügt, um Verbraucher, Erzeuger und Speicher zu vernetzen. Modellregionen gibt es in Vorarlberg, Salzburg und Oberösterreich.

Smart Grid Security Guidance. An dem Forschungsprojekt, das unter dem Dach des „KIRAS“-Programms des Bundesministerums für Verkehr, Innovation und Technologie und der FFG angesiedelt ist, sind neben dem AIT auch die TU Wien, Siemens Österreich, die Uni Linz sowie das Bundesministerium für Inneres und das Bundesministerium für Landesverteidigung und Sport beteiligt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.08.2014)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.