HIV-Entdecker präsentiert DNA-Homöopathie

(c) EPA (ALBERTO ESTEVEZ)
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Luc Montagnier, der 1983 das Aids-Virus fand und 2008 den Nobelpreis erhielt, geht seit einiger Zeit eigene Wege und ist bei der „Erinnerung des Wassers“ gelandet. Die UNO bietet ihm eine Bühne.

Am 8. Oktober wird in Stockholm der Name des diesjährigen Chemie-Nobelpreisträgers bekannt gegeben, dorthin richten sich dann alle Augen der Fachwelt und der Medien. Deshalb wird ein zweites Ereignis am 8. Oktober eher weniger Aufmerksamkeit finden: In Paris findet in den Räumen und unter der Schirmherrschaft der UNO bzw. ihrer Organisation für Erziehung, Wissenschaft und Kultur (Unesco) ein Symposium statt, bei dem es um „die Erinnerung von Wasser“ geht: Hauptredner ist Luc Montagnier, er war 1983 ganz vorne bei der Entdeckung des Aids-Erregers HIV mit dabei und wurde dafür 2008 in Stockholm geehrt.

Aber da hatte er sich schon vom Mainstream abgewandt und zur Aids-Therapie – als Ergänzung zu antiviralen Medikamenten – die Einnahme von fermentierter Papaya empfohlen. 2009 publizierte er eine Arbeit – „Electromagnetic Signals are produced by Aequeous Nanostructures Derived from Bacterial DNA Sequences“ – über deren Inhalt und Zustandekommen nur deshalb zunächst kaum Köpfe geschüttelt wurden, weil sie in einem eher unbekannten Journal erschien: Es wird vom Springer-Verlag herausgegeben, heißt Interdisciplinary Sciences: Computational Life Sciences, und der Vorsitzende des Editorial Board heißt Luc Montagnier. Daran mag es gelegen haben, dass das Peer-Review in rasender Geschwindigkeit vonstatten ging und das Manuskript, das Montagnier am 4. Januar 2009 bei sich selbst einreichte, am 6. Januar zur Publikation akzeptiert war.

Wie auch immer: In seinem Manuskript warb Montagnier für die Hypothese, dass (nur) verderbliche Bakterien und Viren im Blut elektromagnetische Signale hinterlassen, die zu Krankheiten wie Aids, aber auch zu unterschiedlichsten Leiden des Gehirns beitragen, von Autismus bis zu Alzheimer. Er habe diese Signale messen können, und er setze darauf, dass man diese Krankheiten mit Antibiotika und auch mit elektromagnetischen Gegensignalen kurieren könne.

Extreme Verdünnung

Bei den Grundlagen berief sich Montagnier auf seinen Landsmann Jacques Beneviste. Dem war es 1988 gelungen, eine Publikation über die „Erinnerung des Wassers“ in Nature unterzubringen: Dieses Gedächtnis stelle sich allerdings nur ein, wenn die erinnerte Substanz in extremer Verdünnung – homöopathischer – im Wasser vorhanden sei. Nature zog die Arbeit später zurück und nannte sie selbst eine „Verdünnung“, Beneviste verlor neben dem Ruf den Job. Montagnier hat nichts zu verlieren, in seinem Alter – er ist 82 – erhält er in Frankreich kein Forschungsgeld mehr. Aber einen Namen hat er schon noch: Er erhielt ein eigenes Institut an einer Universität in China – dort wollte er seine DNA-Homöopathie verfeinern –, und er erhielt vom Autism Research Institute (ASR) in San Diego 40.000 Dollar für einen Test seiner Ideen – via Antibiotikakur – an autistischen Kindern in Frankreich.

Davon hat man nichts mehr gehört, von den Forschungen auch nicht, aber nun will Montagnier in Paris seine Ergebnisse präsentieren. Ihm zur Seite werden zwei Quantenphysiker stehen, auch der italienische Biologe Carlo Ventura – er will elektromagnetische Effekte in Stammzellen bemerkt haben und berichtet darüber unter dem Titel „The voice of the stem cells: mutant vibrations and regenerative medicine“ – und der Mathematiker Cédric Villani, Träger der Fields-Medaille 2010. Der Protest hält sich bisher in Grenzen, nur ein professioneller Kritiker von Pseudowissenschaft, Andy Lewis, hat sich auf seinem Blog „The Quackometer“ vernehmlich gemacht: „Shame on @UNESCO for hosting this absurd pseudoscience conference about Montagniers nonsense!“ (Sciencenow, 24. 9.)

Die Unesco war sich vorauseilend in ihrer Einladung „der kritischen Reaktionen bewusst“ und sagte zu, die Befunde würden mit „größter Strenge“ präsentiert. Aber eine wird sie nicht hören: Unesco-Generaldirektorin Irina Bokova hat die von ihr zugesagte Eröffnungsrede wieder abgesagt, Unesco-Forschungschef John Crowley springt ein.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.09.2014)

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