Biologie: Windkraftwerke ziehen Fledermäuse an

Wasserfledermaus
Wasserfledermaus(c) APA/Wolfgang Buchhorn
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Für fliegendes Getier können die Rotoren tödliche Gefahr bringen, Vögel etwa geraten beim Wandern hinein, manche Fledermäuse auch. Andere suchen die Gefahr: Sie verwechseln offenbar die Türme mit Bäumen.

Manche mögen die immer höher in die Luft ragenden Windkraftwerke („Energiewende“), in den Augen anderer sind sie eher störend („Verspargelung“), dritte fühlen sich offenbar von ihnen angezogen und bezahlen das oft mit dem Leben: Fledermäuse. Auch sonstiges fliegende Getier gerät in die Rotoren – sie sind 30 bis 50 Meter lang und drehen sich in 60 bis 100 Metern Höhe mit Geschwindigkeiten von 240 bis 300 km/h –, auf Gibraltar wurde deshalb ein ornithologischer Dienst für Geier aufgezogen. Tausende wandern im Herbst nach Süden, aber auf spanischer wie marokkanischer Seite ragen Räder in den Himmel: „Ich habe Geier gesehen, die einfach enthauptet wurden“, berichtete US-Wildbiologe Marc Bechard in Nature (486, S. 310), er ist unter den Forschern, die dafür sorgen, dass die Mühlen stillstehen, wenn Geier kommen.

Auch andere Vögel sind betroffen, aber sie geraten eher zufällig in Gefahr, die sie noch nicht kennen und auf die sie sich noch nicht eingestellt haben, auch Fledermäuse zahlen einen hohen Blutzoll auf ihren Wanderungen. Aber nicht nur dann: Vor allem Baumfledermäuse – sie hausen in Baumhöhlen – geraten in die Rotoren, in den USA und Europa stellen sie drei Viertel der Opfer. Man hat lange schon den Verdacht, dass sie nicht einfach so in die wirbelnden Schneiden geraten, sondern dass irgendetwas an diesen baumhohen und -schlanken Strukturen sie anlockt, vermutlich ihre Ähnlichkeit mit Bäumen bzw. den Strömungsmustern, die sie bei Wind produzieren.

Anflug fast immer aus Lee

Zum Test hat Paul Cyran (United States Geological Survey) den Himmel an drei Windkraftwerken in Indiana von August bis Oktober 2012 mit allen erdenklichen Sensoren im Auge behalten, etwa mit Wärmekameras (Pnas, 29. 9.). Die dokumentierten 1304 Anflüge von Baumfledermäusen – bei Tageslicht fanden sich dann direkt unter den Windmühlen zwölf Kadaver –, sie gingen alle Richtung Turbine, und fast alle kamen aus Lee, der windabgewandten Seite. Dort sind die Strömungen verwirbelt, offenbar können Fledermäuse das mit hochsensitiven Berührungssensoren auf den Flügeln und in den Ohren messen, diese haben sie, man hielt sie früher auch – vor Entdeckung der Echolokation – für den Leitsinn durch die Dunkelheit.

Aber was zieht sie an? Es gibt mehrere Möglichkeiten, sie schließen einander nicht aus und basieren alle darauf, dass die Turbulenzen jenen von Bäumen gleichen: Es kann sein, dass die Tiere Nistplätze oder sozialen Kontakt suchen – nicht nur Sex, die Forscher haben auch Verhalten beobachtet, das an ein spielerisches Fangen erinnert –, es kann außerdem sein, dass sie Nahrung suchen, viele Insekten sind im Lee von Landschaftsstrukturen unterwegs: „Was bei hohen Bäumen ein Vorteil war, ist nun, bei Windturbinen, eine Fehlanpassung“, schließt Cyran. Abhilfe ist schwer: Fledermäuse flogen in diesem Test die Turbinen vor allem bei schwachem Wind an; aber frühere Befunde wiesen in die Gegenrichtung, deshalb werfen manche US-Windkraftwerke ihre Räder erst bei stärkerem Wind an.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.09.2014)

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