Vitamin D: Ein Vitamin als Lebensretter

Vitamincocktail - cocktail of vitamins
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Viele kranke Menschen leiden unter Vitamin-D-Mangel. Grazer Forscher zeigen erstmals, dass die Einnahme von Vitamin D die Überlebenschancen von Intensivpatienten deutlich erhöht.

Eine ausreichende Versorgung mit Vitaminen ist grundlegend für unsere Gesundheit. Das gilt auch für das Vitamin D, dem Alleskönner und Spezialfall unter den Vitaminen, da es im engeren Sinne eigentlich gar keines ist. Denn laut Definition wird ein Vitamin mit der Nahrung aufgenommen, da es der Körper selbst nicht produzieren kann. Das trifft auf Vitamin D nicht zu: 90 Prozent produziert der Körper selbst. Alles, was er dazu braucht, ist Sonnenlicht.

Trotzdem kommt es häufig zu Mangelerscheinungen. Unser Lebensstil führt dazu, dass wir zu wenig Zeit an der frischen Luft und im Tageslicht verbringen. Das schränkt die Vitamin-D-Produktion in der Haut ein. Eine Bettlägerigkeit kann sogar zu extremem Mangel führen. Bereits bekannt war auch der Zusammenhang von zu niedrigem Vitamin-D-Level im Blut und dem guten oder schlechten Verlauf zahlreicher Erkrankungen.

Ob der Vitamin-D-Mangel dabei nur ein Symptom oder tatsächlich auch auslösender Faktor ist, wurde bisher aber nicht gezeigt. Das untersuchte nun ein interdisziplinäres Team der Meduni Graz. Die Forscher beobachteten 500 Intensivpatienten: eine Patientengruppe, die besonders häufig unter ausgeprägtem Vitamin-D-Mangel leidet. Ziel der Studie war, die Auswirkung der einmaligen Gabe eines stark konzentrierten Vitamin-D-Präparates auf die Aufenthaltsdauer im Spital festzustellen.

Die Ärzte um Endokrinologin Karin Amrein fanden allerdings im Vergleich mit einer Placebo-Gruppe, die ein Präparat ohne Wirkstoff erhielt, keinen Unterschied im Bezug auf die Aufenthaltsdauer. Das Ergebnis der Studie war dennoch spektakulärer als erwartet: Die Verabreichung von Vitamin D hatte einen unerwartet starken Einfluss auf das Überleben eines Teils der Patienten.

Weit weniger Patienten starben

In der Gruppe der Patienten mit schwerem Mangel starben nach der Behandlung mit Vitamin D 44 Prozent weniger Patienten. „Wir haben selbst nicht mit so einem starken Effekt gerechnet, das Ergebnis ist herausragend“, sagt Amrein.

Die Resultate sind auch wegen des speziellen Wirkstoffes und der Art der Behandlung bemerkenswert: Das simple Vitamin-Präparat ist billig, einfach zu verabreichen und hat praktisch keine Nebenwirkungen. „Es ist fast zu gut, um wahr zu sein: die Dosis an Vitamin, die wir den Patienten gegeben haben, kostet zehn Euro. Im Vergleich dazu kostet ein Tag Aufenthalt in der Intensivstation mehr als 1000 Euro“, sagt Karin Amrein.

Um genauer zu beantworten, was der Grund für das bessere Überleben der Patienten ist, müssten die Auswirkungen des Vitamins im Körper in einer weiteren Studie geprüft werden. „Interessant wäre zu untersuchen, ob sich die Herzmuskelfunktion verbessert und wie Infektionen verlaufen“, so Amrein.

Denn obwohl Vitamin D vor allem im Knochenauf- und -abbau eine wichtige Rolle spielt, ist es in den letzten Jahren auch mit einer Vielzahl anderer Stoffwechselprozesse in Verbindung gebracht worden. Es beeinflusst unter anderem Haut- und Muskelfunktion sowie die Immunantwort. Darüber hinaus wurden in fast allen Geweben des Körpers Rezeptoren für Vitamin D gefunden – es könnte damit ein bisher unterschätzter Alleskönner sein.

Trotzdem warnt die Ärztin davor, das Ergebnis der Studie falsch zu interpretieren: „Unsere Resultate beziehen sich auf schwer kranke Intensivpatienten.“ Ein gesunder Mensch mit normalem Lebensstil habe keinen Mangel und solle auch kein zusätzliches Vitamin D einnehmen. Sicherlich nicht schaden kann es allerdings, öfter an die frische Luft zu gehen – und damit die eigene Vitaminproduktion anzukurbeln.

LEXIKON

Vitamin D(Provitamin D3 oder Cholecalciferol) ist die Vorstufe der vom Körper vor allem in den Nieren gebildeten aktiven Form des Vitamin D. Vitamin D wird hauptsächlich vom Körper mithilfe von Sonnenlicht in der Haut gebildet, kann aber auch mit der Nahrung aufgenommen werden. Aktives Vitamin D reguliert vor allem den Calcium-Stoffwechsel, beeinflusst aber auch zahlreiche andere Vorgänge wie die Immunantwort sowie Haut- und Herzmuskelfunktionen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.10.2014)

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