Bakterien: So genügsam, das wächst überall

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Um zu verstehen, wie Listerien in die Nahrungsmittelkette gelangen, muss auch erforscht werden, wo sie in der freien Natur vorkommen: im Boden, Berg oder Wasser.

Listeriosen kennt spätestens seit den Todesfällen im Jahr 2009 fast jeder: Nach dem Verzehr von Sauermilchkäse erkrankten mehrere Menschen an dieser Infektionskrankheit, hervorgerufen durch Listeria monocytogenes. Die stäbchenförmigen Bakterien können bei Mensch und Tier zu schweren Erkrankungen des Nervensystems führen, wenn sie in hoher Konzentration in der Nahrung vorkommen.

Besonders gefährdet sind Schwangere, ältere Menschen oder Personen mit Immunsuppression: Von Rohmilchprodukten, Rohwürsten, schlecht gewaschenen Salaten etc. wird meist abgeraten. „Es ist bekannt, dass Listerien immer wieder im Umfeld von Lebensmittel-produzierenden Betrieben vorkommen“, sagt Beatrix Stessl vom Institut für Milchhygiene der Vet-Med-Uni Wien. „Unser Institut, unter der Leitung von Martin Wagner, forscht an Möglichkeiten, wie man Listerien in Lebensmitteln und den verarbeitenden Betrieben minimieren kann.“

Es gibt weltweit zehn Arten dieser Bakterien: Neben der für Mensch und Tier gefährlichen Art Listeria monocytogenes ist auch Listeria ivanovii vor allem für Wiederkäuer schädlich. „Wenn in einer Schafherde vermehrt ungeklärte Aborte bei trächtigen Tieren auftreten, könnte eine Listerien-Infektion die Ursache sein“, so Stessl. Die meisten Arten sind aber ungefährlich.

Die Frage des aktuellen Forschungsprojektes, dessen Ergebnisse im Fachjournal „Applied Environmental Microbiology“ erschienen sind, hatte nicht direkt mit der Gefährdung von Mensch und Tier durch Listerien zu tun. Stessl wollte wissen, ob und wie weit entfernt Listerien von Landwirtschafts- und lebensmittelverarbeitenden Betrieben vorkommen. Wo treiben sich Listerien in unberührter Natur herum? Erst wenn das klar ist, kann man die Verbreitungsmechanismen der Keime besser verstehen und Vorsorge treffen, die Listerienbelastung in Lebensmittelbetrieben zu minimieren.

Im Boden wimmelt es von Keimen

Listerien sind sehr genügsame Bakterien, die überall wachsen können: In Pflanzenmaterial, im Wasser, in der Erde, in Ausscheidungen. So anspruchslos wie Listerien sind, überleben sie hohe Temperaturen, niedrige Temperaturen, hohen Salzgehalt, niedrigen pH-Wert und vieles mehr. Sobald die Bedingungen günstig sind, erblüht die Bakterienkolonie. Das Forschungsteam, bestehend aus jungen Wissenschaftlerinnen, nahm drei Jahre lang jeden Monat sterile Schaufelchen und Becher zur Hand, um von zehn Stellen in Österreich Erd- und Wasserproben zu entnehmen.

„Für solche Forschungen muss man ein Naturtyp sein, der hoch in die Berge und weit aufs Feld hinaus will“, sagt Stessl. Die Probenentnahme war nur im Winter bei durchgefrorenem Boden und hoher Schneedecke unmöglich. Doch über 500 Erd- und 70 Wasserproben brachten die Forscherinnen von den Kalkalpen, den Tauern, den Lavantaler Alpen, den Mürzsteger Alpen, dem Neusiedler See und den Donau-Auen ins Labor.

„Wir hatten nicht erwartet, dass wir viele Listerien nachweisen können, da es in Bodenproben von Bakterien, Viren und Pilzen wimmelt und einzelne Arten oft schwer isolierbar sind.“ Doch die Nachweismethoden der Vet-Med-Uni waren stark genug, und auch die Listerienbelastung war hoch genug, um eindeutig zu zeigen, dass diese Bakterien weit weg von menschlichem Einfluss ebenso vorkommen.

Fünf der zehn weltweiten Arten wurden in Österreich nachgewiesen, auch die für Mensch und Tier gefährliche Listeria monocytogenes und die nur für Tiere pathogene Listeria ivanovii. „Einige dieser Arten sind weltweit häufig und können auch im Lebensmittelumfeld isoliert werden. Doch wir fanden sogar eine Art, die erst einmal zuvor in österreichischen Kompostproben gefunden worden war“, erklärt Stessl.

Am höchsten waren die Listerien-Belastungen in Erd- und Wasserproben des Flachlandes nach dem Hochwasser von 2007: „Das deutet darauf hin, dass die Bakterien aus den Städten und landwirtschaftlichen Betrieben ausgeschwemmt und dort eingetragen wurden.“ Nach dem Hochwasser fanden sich auch in vielen Proben multiresistente Listerien: Ihnen konnten unterschiedliche Antibiotika nichts anhaben.

Resistente Bakterien

Genau solche Bakterien sind ein großes Problem, da die klassische Behandlung mit Antibiotika möglichen Listeriose-Patienten schwer oder nicht helfen kann. Woher kommen die Resistenzen bei Listerien? Einerseits rüsten sich Bakterien in der Erde mit Resistenzen, da ihre Konkurrenten wie Pilze dort antibiotische Substanzen ausscheiden – auch Penicillin wurde erstmals in einem Schimmelpilz entdeckt. Andererseits stammen resistente Keime wohl auch aus dem urbanen und landwirtschaftlich genutzten Umfeld.

In den hohen Bergen fanden die Wissenschaftlerinnen viel weniger Listerien, jedenfalls gar keine pathogenen Keime und auch keine resistenten. Die wenigen, die man dort fand, könnten vermutlich durch Wildtiere eingetragen worden sein.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.10.2014)

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