Stammzellen: Silberstreif für Erblindende

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Der erste Test einer Stammzellkur läuft seit drei Jahren: Die Kur ist sicher, sie wirkt auch – irgendwie.

1981 wurden die bisher letzten großen Hoffnungsträger der Medizin entdeckt, die embryonalen Stammzellen (ES), aus denen sich theoretisch alle Zelltypen ziehen lassen – für Transplantate –, man fand sie an Mäusen, 1998 auch bei Menschen. Der Hype ging hoch, aber ES bringen ethische Probleme – zu ihrer Produktion müssen Embryos erzeugt und dann zerstört werden –, und sie bringen technische Probleme: Man muss sicher sein, dass aus ES gezogene Zellen bei ihrem Typ bleiben – dass nicht etwa aus Hirnzellen Knochenzellen werden –, und man muss sicher sein, dass die Zellen sich nicht unkontrolliert auswachsen, zu Tumoren.

Beide Probleme – und der Fall des Stammzellfälschers Hwang – sorgten dafür, dass die hohen Erwartungen erst 2011 und nur in einem winzigen klinischen Test geprüft werden konnten, er ist weltweit der einzige, den es überhaupt mit Zellen aus ES gibt: mit Zellen des Auges, retinalen Pigmentzellen. Diesen Test hat Robert Lanza (Advanced Cell Technology) mit Bedacht gewählt: Das Auge ist „immunprivilegiert“, dort wird Körperfremdes nicht hart attackiert, und die Pigmentzellen kann man sehen, in den Augen, in die sie gespritzt wurden.

„Unerwartete Verbesserung“

Das waren sehr kranke Augen, die unter verschiedenen Formen der Makuladegeneration litten, durch sie werden Fotorezeptoren zerstört, die in der Retina Licht wahrnehmen, es führt in den meisten Fällen unheilbar zu Erblindung. Im Test hingegen berichteten nach nunmehr drei Jahren zehn der 18 Teilnehmer über teilweise frappante Erhellungen ihres Augenlichts, eine konnte wieder ein wenig lesen, einer reiten. „Wir haben niemals eine so dramatische Verbesserung erwartet“, staunt Lanza selbst. Denn erstens ging es ihm gar nicht um Effizienz, sondern um Sicherheit – die wurde bestätigt –, und zweitens waren die von ihm genutzten Zellen eben Pigmentzellen und nicht die von der Makuladegeneration zerstörten Fotorezeptoren (Lancet, 15.10.).

Möglicherweise schaffen Pigmentzellen ein besseres Umfeld für Fotorezeptoren oder sie aktivieren „schlafende“, möglicherweise spielt aber auch ein Placeboeffekt hinein. Wie auch immer, der erste Beleg für „mittel- bis langfristige Sicherheit“ einer Stammzellkur ist da. (jl)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.10.2014)

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