Biologie: Wie die Panzerfische kopulierten

(C) Brian Choo
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Australische Forscher schließen aus Fossilien, dass die innere Befruchtung bei Wirbeltieren älter ist, als man bisher dachte: an die 380 Millionen Jahre alt.

In unserem Verständnis geht die Zeugung von Nachwuchs – wenn sie nicht im Reagenzglas stattfindet – mit Kopulation einher. Diese innere Befruchtung ist bei Landwirbeltieren tatsächlich der Normalfall, nicht aber bei Fischen: Bei ihnen müssen Weibchen und Männchen einander gar nicht nahekommen, ihre Geschlechtszellen, Laich genannt, verschmelzen außerhalb des Körpers, eine Ausnahme bilden z.B. die Haie. Bisher dachten die meisten Zoologen, dass die äußere Befruchtung bei unseren tierischen Vorfahren die ursprüngliche Methode sei und sich die innere erst später entwickelt habe. Dem widerspricht nun eine in Nature (19.10.)veröffentlichte Arbeit von australischen Biologen um John Long (Flinders University, Adelaide).

Sie behandelt Fossilien von Panzerfischen (Placodermi). Diese urtümlichen Fische lebten im Erdaltertum, vor 420 bis 360 Millionen Jahren, man hält sie für die ersten Wirbeltiere, die Kiefer entwickelten, also zu den Kiefermäulern (Gnathostomata) zählten, das sind alle Wirbeltiere außer den Rundmäulern, also Fische, Amphibien, Reptilien, Vögel und Säugetiere.

Eine Panzerfisch-Art namens Microbrachius habe bereits innere Befruchtung praktiziert, meint John Long – und er meint auch zu wissen, wie: Seite an Seite. „In der Missionarsstellung können sie es nicht getan haben“, sagt Long. Das schließt er aus knöchernen Strukturen, die er an Microbrachius-Fossilien gefunden hat und als männliche Geschlechtsorgane interpretiert: als „Claspers“. Auch männliche Haie haben solche, bei ihnen aus einer Bauchflosse gebildeten Organe, über die sie ihr Sperma in die Weibchen einführen. Bei Microbrachius allerdings sind die Claspers deutlich größer und L-förmig. Sie wurden in die Genitalplatten der Weibchen eingeführt, meint Long, dabei hätten die beiden einander mit „kleinen Armen“ festgehalten. Und sich am Akt erfreut, wie Long meint: „Warum hätten sie sonst solche Organe entwickelt?“

Von solchen Spekulationen über Sexualpsychologie im Erdaltertum abgesehen, ist die These Longs spannend: Die innere Befruchtung sei bei Kiefermäulern die ursprüngliche Methode, die äußere Befruchtung habe sich erst später daraus entwickelt, als Rückschritt quasi. Denkbar ist freilich auch, dass der von Long geschilderte Koitus nur eine Spezialität einer Gruppe von Panzerfischen war.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.10.2014)

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