Antiker Tempel strahlt wieder in neuem Glanz

Der Hadrianstempel in Ephesos.
Der Hadrianstempel in Ephesos.(c) APA/URSULA QUATEMBER/ÖAI
  • Drucken

Eines der wichtigsten Monumente im westtürkischen Ephesos, der Hadrianstempel, galt bereits als einsturzgefährdet. Wetter und Touristen setzen ihm arg zu. Österreichische Wissenschaftler haben ihn nun umfassend restauriert.

Betend und tanzend zogen die Menschen bei Prozessionen zu Ehren der olympischen Göttin Artemis durch die Kuretenstraße. Die Prachtstraße war eine der wichtigsten Straßen im antiken Ephesos. Eine Station der Prozession, die vom Artemistempel, einem der sieben Weltwunder, in die Stadt führte, war der Hadrianstempel. Dieser wurde im zweiten Jahrhundert n. Chr. zu Ehren des römischen Kaisers Hadrian, der Göttin Artemis und des Volks von Ephesos erbaut. Ephesos war damals mit geschätzten 200.000 Einwohnern eine der größten Städte des Römischen Reichs.

Ursprünglich krönte ein dreieckiger Giebel die Straßenfassade des Tempels. Reliefs im Vorraum zeigen Szenen aus der mythischen Frühzeit der Stadt. So ist etwa in einer Szene die Gründung von Ephesos dargestellt: Einem Orakelspruch folgend sollten ein Fisch und ein Eber Androklos, dem Sohn des Königs von Attika, zeigen, wo er eine Stadt gründen soll. Als er an der kleinasiatischen Küste landete, bereiteten Fischer gerade ihr Essen zu. Ein noch zuckender Fisch fiel ins Feuer, dadurch wurde Glut ins Gebüsch geschleudert und ein Eber aufgescheucht. Androklos erlegte ihn und gründete dort Ephesos.

Die Wände im Tempelinneren, der Cella, waren mit Marmorplatten verkleidet. Man nimmt an, dass an der Rückwand ein Kultbild aufgestellt war. Teile der Westseite und der Straßenfront stürzten im vierten Jahrhundert n. Chr. – vermutlich bei einem der häufigen Erdbeben – ein, sollen aber wieder aufgebaut worden sein. Wie und wann der Tempel endgültig zerstört wurde, ist nicht dokumentiert.

Sensation nach Kriegspause

In den 1950er-Jahren entdeckten österreichische Forscher den verfallenen Tempel. Franz Miltner vom Österreichischen Archäologischen Institut (ÖAI) leitete die Ausgrabungen, die zuvor von 1936 bis 1954 unterbrochen waren. „Der Tempel wurde mit den Mitteln, die damals zur Verfügung standen, wieder aufgebaut“, sagt Sabine Ladstätter, die das ÖAI und die Ausgrabungen in Ephesos heute leitet (siehe unten).

Der Fund galt als Sensation, der Grundstein für den Massentourismus in Ephesos war gelegt. Zuletzt besichtigten zwei Millionen Besucher pro Jahr die Forschungsstätte und den Tempel, der immer baufälliger wurde. „Das große Interesse freut uns, die vielen Besucher sind aber auch ein großer Stressfaktor für die Ruinen“, sagt Ladstätter. Ein Drahtseilakt für die Archäologen: „Ich muss die Gebäude vor den Besuchern schützen und die Besucher vor den Gebäuden.“
Der Hadrianstempel zeigte zuletzt bereits regelrechte Auflösungserscheinungen an den Marmoroberflächen: Das Material rieselte wie Kristallzucker, die Forscher sprechen von sogenannter Zuckerkorrosion. Die Situation war drastisch, der Tempel zuletzt sogar einsturzgefährdet: „Die Kräfte der Gemäuer zogen nach außen, der Bau war in sich nicht mehr stabil“, sagt Ladstätter. So wurde der Hadrianstempel 2013 zum größten Restaurierungsprojekt in Ephesos.

Die Vorarbeiten kamen aus einem Projekt des Österreichischen Wissenschaftsfonds FWF: Von 2009 bis 2012 wurde der Tempel vermessen. Dabei wurde auch ein dreidimensionales Modell des Baus erstellt. Ein Steinkonservator analysierte das Schadbild ausführlich.
Für die Restaurierung wurden alle Bauelemente ab der Oberkante der Säulen entfernt. Auf einer Holzplattform hinter dem Tempel wurden die Teile aufgebreitet und bearbeitet. Die stehenden Gemäuer wurden extra restauriert. Für die Statik wurde ein Stahlring eingezogen. Anschließend wurde das architektonische Puzzle wieder zusammengesetzt.

Auch die Restaurierung selbst war Teil der wissenschaftlichen Arbeit. Denn dabei ließen sich auch die Restaurierungsmethoden weiter verbessern, so Ladstätter. „Aus bestehenden Schäden lässt sich viel für neue Methoden lernen.“ Manche Materialien aus dem ersten Wiederaufbau erwiesen sich dabei als nicht zielführend: Eisen korrodierte, Kunstharze lösten sich ab und wurden blättrig. So drang Wasser ins Innere der Steine ein, das beschleunigte wiederum den Verfall.

Schutzmantel aus Kalk

Die Forscher nutzten daher etwa einen eigenen „Nano-Lime“: Die feine Kalksubstanz wurde – an manchen Stellen bis zu sieben Mal – in das rissige Baumaterial injiziert. Außerdem wurde die Oberfläche zum Schutz mit einer speziellen Kalkschlämme, einer Mischung aus Löschkalk und Wasser, überzogen.

„Mit dem Dach fehlt dem Tempel auch der Schutz vor Wind und Wetter“, so Ladstätter. Denn große Temperaturschwankungen belasten die historischen Gebäude in der Region: Das Material muss Frost genauso trotzen wie Temperaturen von 40 bis 45 Grad Celsius im Hochsommer. Außerdem regnet es von November bis Mai viel.

Die Witterung ist auch der Grund, warum Archäologen heute immer weniger Gebäude freilegen. „Durch moderne Prospektionsmethoden wie Georadar oder Geomagnetik wissen wir, was unter der Erde liegt, also etwa ein Wohnhaus oder Tempel“, so Ladstätter. „Gräbt man sie aus, verfallen sie schnell. Ein Winter reicht dazu oft aus.“ In Ephesos hat man daher nur einen Bruchteil der bekannten Bauten freigelegt. Denn: Was man ausgräbt, muss man auch erhalten. Dass dies am besten permanent passieren sollte, ist auch eine Erkenntnis aus dem Restaurierungsprojekt.

Die Arbeiten wurden im Sommer abgeschlossen, der Tempel kürzlich eröffnet – allerdings ohne die Öffentlichkeit: „Wir hatten die Wahl Geld für eine Feier oder für die Forschung zu nutzen“, sagt Ladstätter. Die Entscheidung fiel für die Wissenschaft. Der Tempel ist aber bereits wieder für Besucher zugänglich. Und die können nun auch die zur Restaurierung errichtete Plattform für einen Blick in den Tempel aus neuer Perspektive nutzen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.10.2014)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Wissenschaft

Der Wettstreit der europäischen Großreiche um Kulturprojekte

Österreich leitet seit fast 120 Jahren die Forschungsarbeiten in Ephesos. Jetzt prüft die Unesco, ob die Grabungsstätte nächstes Jahr zum Weltkulturerbe ernannt wird.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.