„Forscher als Verkäufer – unmöglich!“

Die Bilanz nach sieben Jahren Sicherheitsforschung zeigt: Das Programm ist Vorbild für Deutschland, doch viele Produkte schaffen es nicht bis auf den Markt.

„Nur keine Statistiken ,vertexten‘“ lautet der Rat erfahrener Journalisten. Daher nur ein Satz Statistik: In 21 Ausschreibungen des Sicherheitsforschungsprogramms Kiras wurden in sieben Jahren 172 Projekte mit 58 Millionen Euro gefördert und damit 1700 Arbeitsplätze geschaffen. Die Fakten wurden diese Woche bei der Kiras-Fachtagung von Andreas Reichhardt, Sektionschef im Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie (BMVIT), präsentiert und zeigen, was angewandte Forschung im Sicherheitsbereich leistet. Seit 1. Oktober läuft schon das nächste Kiras-Programm.

„Es ist ein Irrtum, dass die Bedarfsträger, staatliche oder staatsnahe Institutionen, auch kaufen, was sie in Projekten mitgestaltet haben“, sagt Gernot Grimm, Leiter der Stabsstelle für Technologietransfer und Sicherheitsforschung im BMVIT bei der Podiumsdiskussion. Michael Binder von der Forschungsförderungsgesellschaft FFG bestätigt: „Österreich ist bei der Produktion von Wissen sehr gut, aber bei der Überführung in den Markt nicht so gut.“ Und Martin Kampel, der seine Firma CogVIS aus einem Kiras-Projekt heraus gegründet hat, betont: „Österreich ist zu klein, Internationalisierung ist am allerwichtigsten.“

Einig waren praktisch alle Diskutanten mit Kampel, als er ausrief: „Angewandte Forschung ist gut, aber Forscher als Verkäufer – das ist unmöglich!“ Laut Grimm sei das auch nicht wünschenswert, „deshalb verlangen wir in jedem Projekt die Beteiligung eines Unternehmens“. Und der Sozialwissenschaft, „um die gesellschaftliche Akzeptanz zu haben“.

Dass die meisten Projekte „es nicht bis zum Markt schaffen“, nannte Stephan Heinrich von der deutschen Prognos AG, Leiter der Kiras-Evaluierung, als Mangel des bis 2020 verlängerten Programms. Und weiters: „Das BMVIT kann mehr tun, zum Beispiel internationale Kontakte vermitteln.“

Sonst zog Heinrich bei den strategischen Zielen von Kiras eine beinahe durchgehend positive Bilanz, lobte besonders den integrativen Ansatz, die ausgewogene Verteilung der Fördermittel und die „positive Zielerreichung“.
FFG-Chef Klaus Pseiner nannte drei weiterführende Ansatzpunkte: Wichtig seien in Projekten Pilot- und Demo-Anwendungen, denn „es muss etwas zum Angreifen geben“. Wünschenswert wären sogenannte Living Labs, um „zu lernen, was die Kunden wirklich brauchen“. Und man müsse evaluieren, ob ein System wie in Deutschland zur „Mobilisierung der öffentlichen Beschaffung für innovative Lösungen“ eingeführt werden solle.

Das höchste Lob für Kiras zollte Eckhart Curtius vom Berliner Bildungs- und Forschungsministerium: „Wir in Deutschland haben einiges von Österreich abgekupfert.“ Bei den österreichischen Rückflussquoten aus EU-Projekten „werden wir blass“. Nicht zuletzt deshalb arbeiten die beiden Nachbarn eng zusammen, um möglichst viele Projekte im Brüsseler Programm Horizon 2020 unterzubringen. (pm)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.10.2014)

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