Der beste Spielplatz ist das Labor

Porträt. Die Werkstoffwissenschaftlerin Maria Cecilia Poletti verbessert Metalle in Flugzeugturbinen: durch zwei- und dreidimensionale Gefügeanalysen.

Metalle sind fast überall in unserem Leben, sagt Maria Cecilia Poletti. Die gebürtige Argentinierin kam vor 14 Jahren für ihre Diplomarbeit nach Österreich und hat sich an der TU Wien quasi in das Rasterelektronenmikroskop und die metallischen Werkstoffe „verliebt“. So vieles basiert auf metallischen Stoffen: Fahrrad, Auto, Flugzeug, Bahn. Wer Implantate im Körper trägt, ist sogar beim Zu-Fuß-Gehen auf Metall angewiesen. „Überall, wo etwas hohe Temperaturen aushalten muss, gibt es Metalle und auch dort, wo man elektrische Leitfähigkeiten braucht“, sagt Poletti.

Die Leidenschaft für Werkstoffkunde ist im Gespräch mit Poletti unübersehbar. Sogar privat spricht sie viel über technische Wissenschaften: Ihr Lebensgefährte, ebenfalls Argentinier, ist Uni-Assistent im Maschinenbau der TU Graz. Nach der Zeit an der TU Wien zog Poletti 2011 in die Steiermark – wegen einer „Laufbahnstelle“ für Werkstofftechnik an der TU Graz, wo sie heute Assoziierte Professorin ist.

„Hier kann ich machen, was ich will“

Schon als Kind hatte Poletti Spaß an der Wissenschaft: „Mein Vater in Neuquén, Patagonien, hat in einem chemischen Labor gearbeitet und mich oft mitgenommen, dass ich dort spielen konnte. Bis heute ist das Labor mein Lieblingsspielplatz. Hier kann ich alles machen, was ich will.“

Technische Wissenschaften können jedem Spaß machen, egal, ob Mann oder Frau, sagt Poletti. In Neuquén gab es in den 1990ern jedenfalls gleich viele Frauen wie Männer im Studium der Verfahrenstechnik.

Derzeit erforscht sie am Institut für Werkstoffkunde und Schweißtechnik die Eigenschaften einer Titanlegierung, die für Turbinenschaufeln am Flugzeug eingesetzt werden soll. In Zusammenarbeit mit einem Partner der Luftfahrtindustrie wird das Material auf Umformbarkeit bei hohen Temperaturen getestet: „Im Vergleich zu den derzeitigen Nickellegierungen würde sich das Gewicht der Turbinen halbieren. Doch es ist schwer, diese Titanlegierung in die Form zu bekommen, die man will, und zugleich die mechanischen Eigenschaften zu erreichen, die man braucht. Das Produkt muss ja lange halten“, sagt Poletti.

Metall ist ja nicht wie Teig bei Raumtemperatur formbar, sondern muss meist erhitzt werden. „Man kann das erhitzte Metall entweder mit einem Hammer verformen, wie Schmiede das seit Jahrhunderten machen, oder es in einer Walze ausdünnen wie einen Nudelteig“, so Poletti. Für Titan und Stahl sind Temperaturen bis 1000 Grad notwendig, für Aluminium können 400 Grad reichen. „In unserem Labor untersuchen wir im Kleinen, wie ,Warmumformung‘ in der Industrie im Großen funktioniert: Jede Geschwindigkeit und jede Temperatur der Verformung ergibt unterschiedliche Eigenschaften des Metalls, wenn es in erkalteter Form stabil und belastbar sein muss.“ Polettis Analyseverfahren von zwei- und dreidimensionalen Metallgefügen wurde im September mit dem renommierten Masing-Gedächtnispreis der Deutschen Gesellschaft für Materialkunde ausgezeichnet. Die Preisträger im deutschsprachigen Raum dürfen nicht älter als 38 Jahre sein, Poletti ist erst die zweite weibliche Trägerin dieses Preises.

Wie wichtig das Wissen über Mikrostrukturen der metallischen Werkstoffe ist, beschreibt Poletti anschaulich: „Wenn man einen Kupferdraht immer länger und dünner zieht, erreicht man irgendwann den Punkt, an dem der erkaltete Draht die gewünschte Festigkeit hat. Doch die innere Struktur des Kupfers verringert dann die elektrische Leitfähigkeit.“ Ihr Team sucht in Experimenten und Computersimulationen für jeden metallbasierten Werkstoff genau den Punkt, an dem der Mix der gewünschten Eigenschaften optimal ist: Zum Beispiel „fest und gut leitend“ oder „wärmestabil und leicht“.

ZUR PERSON

Maria Cecilia Poletti wurde 1976 in Argentinien geboren. Nach dem Studium der Verfahrenstechnik und des Maschinenbaus kam sie im Jahr 2000 nach Wien, weil ihr Professor ein weltweites Netzwerk der Materialwissenschaftler aufbaute. Wien war dabei ein Knotenpunkt. Inzwischen forscht und lehrt sie am Institut für Werkstoffkunde und Schweißtechnik der TU Graz. Ende September wurde sie mit dem Masing-Gedächtnispreis ausgezeichnet.

Alle Beiträge unter:diepresse.com/jungeforschung

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.10.2014)

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