Zoologie: Vögel singen so harmonisch wie Menschen

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Einsiedlerdrosseln suchen die Tonhöhen, die sie verwenden, aktiv aus – und folgen den Obertonreihen. Das zeigte ein Team von Biologen, darunter auch Forscher der Universität Wien.

Die kleine Terz des Kuckucks ist längst ins Volkslied eingegangen – obwohl Vogelkundler versichern, dass sie ihn auch schon Sekunden und Quinten singen gehört haben –, doch die Frage war bis jetzt nicht präzise geklärt: Folgen die Lieder der Singvögel der gleichen Harmonik wie jene der Menschen? Bewegt sich die Amsel auf ähnlichen Tonleitern wie Cat Stevens, der sie in „Morning Has Broken“ sprechen ließ, oder Paul McCartney, der sie in „Blackbird“ besang?

Wir empfinden ja Intervalle als angenehm und konsonant, wenn die Frequenzen der beiden Töne sich zueinander verhalten wie zwei möglichst kleine ganze Zahlen. So entspricht die Oktav einem Frequenzverhältnis 2:1, die (reine) Quint ist 3:2, die (reine) Quart 4:3, die große Terz 5:4, die kleine Terz 6:5. Das hat schon Pythagoras, dem alten Freund der natürlichen Zahlen, gut gefallen.

Dass solche Intervalle so „schön“ klingen, hat freilich einen materiellen Grund, dass natürlich erzeugte Töne – egal, ob aus dem Stimmkopf eines Vogels oder aus einem Saxofon – nicht rein sind, sondern Obertöne haben. Und im Spektrum der Obertöne, der Obertonreihe, sind meist just die Töne prominent vertreten, die zum Grundton in „schönen“ Verhältnissen wie 2:1, 3:2, 4:3, 5:4 usw. stehen. Bei „süß“ klingenden Instrumenten wie der Flöte noch mehr als bei herben wie einer Ziehharmonika. Die Form des schwingenden Körpers – ob eine Saite oder eine Luftsäule – bestimmt Töne und Obertöne.

Dominieren solche ganzzahligen Verhältnisse also auch die Lieder der Vögel? Österreichische, deutsche und US-amerikanische Verhaltensforscher um Tecumseh Fitch (Department für Kognitionsbiologie, Universität Wien) untersuchten dazu 114 Lieder von 14 Einsiedlerdrosseln. Das sind in Nordamerika lebende Vögel, die – meist von einem hohen Sitz aus – kleine Melodien singen, an denen nicht nur Vogelkundler ihre Freude haben. Ein Vogel hat sechs bis 14 solche Lieder im Repertoire, zwischen denen er wechselt, sie sind ganz typisch für ihn. Die analysierten Sänger waren allesamt Männchen, denn diese singen wie bei den meisten Singvögeln mehr als die Weibchen, „for the sake of charming the female“, wie Charles Darwin es einst formulierte.

Mit zwei unterschiedlichen statistischen Methoden konnten die Forscher nun zeigen, dass die Töne der Vögel tatsächlich meist in ganzzahligen Verhältnissen zu einem Grundton stehen, dass sie also einer Obertonreihe entsprechen.

Kommt das nur von der Anatomie ihres Vokaltrakts, von den Resonanzen, die dieser einfach durch seine Form erzeugt? Nein, sagen die Forscher: Offenbar wählen diese Drosseln aktiv die Tonhöhen aus, die sie verwenden. Warum sie das tun, dafür gebe es zwei Erklärungen, schreiben sie in Pnas (3.11.): Entweder sind die Weibchen schuld, die sich für die Männchen entscheiden, die am konsonantesten singen, womit sich diese und mit ihnen ihre Sangeskunst mehr fortpflanzen. Oder es liegt daran, dass Einsiedlerdrosseln – wie Menschen – sich Melodien besser merken, deren Töne zu den Obertonreihen passen. Die beiden Erklärungen schließen einander natürlich nicht aus.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.11.2014)

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