Archäologie: Gerste half in Tibet hoch hinauf

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Nutzpflanzen aus dem Nahen Osten ermöglichten im Fernen Osten das Besiedeln der Höhen, just als es dort kälter wurde.

Als die Menschen die Berge immer höher hinaufstiegen, und dort auch blieben, mussten sie sich anpassen: Flachländer sind schon in 2500 Metern von Höhenkrankheit und Tod bedroht, aber die Anden wurden doch vor 6000 Jahren bis auf 4300 Meter hinauf besiedelt, und hoch oben in Tibet waren erste Menschen vor mindestens 20.000 Jahren. Die blieben nicht lange, vermutlich waren sie hinter Wild her, erste Spuren sporadischer Besiedelung hinterließen andere vor 5200 Jahren, vor 3600 Jahren dann setzten sich wieder andere dauerhaft fest.

Dazu verfolgten sie ganz unterschiedliche Strategien: Um den Sauerstoff in der dünnen Luft besser zu nutzen, erhöhten die Andenmenschen die Zahl der Erythrozyten, das sind die roten Blutzellen, deren Hämoglobin Sauerstoff transportiert. Aber diese Strategie ist gefährlich, Erythrozyten können verklumpen, dann droht Herztod. Die Menschen hoch in Tibet haben einen anderen Weg eingeschlagen, sie haben statt der Zahl der Erythrozyten die Kraft der Lungen und der Blutgefäße erhöht: Mit einem Atemzug holen sie 15 Liter Luft, in den Anden sind es zehn. Und der Sauerstoff in dieser Luft geht dann durch ein enger verzweigtes Gefäßsystem, in dem die Gefäße zugleich erweitert sind. – Auf diese Anpassungen, die des menschlichen Körpers, hat sich die Forschung bisher konzentriert, aber wer in den großen Höhen leben wollte, brauchte auch höhenfeste Nutztiere und -pflanzen. Deren Spuren hat nun eine Archäologengruppe um Martin Jones (Cambridge) an 53 früheren Siedlungen auf dem tibetanischen Plateau gesichtet.

Im Tal: Hirse, auf dem Berg: Gerste

Diese Menschen hatten Schweine, Ziegen und Rinder mit sich gebracht, und sie hatten auch Pflanzen dabei, angekohlte Körner finden sich an den alten Feuerstätten. Allerdings waren das nicht mehr die herkömmlichen aus China – verschiedene Hirsearten –, sondern weit gereiste, Gerste und Weizen: Die waren in Anatolien domestiziert worden – vor etwa 11.000 Jahren –, sie hatten den Weg nach Osten gefunden.

Dort kamen sie gerade recht, denn sie haben gegenüber Hirse einen großen Vorteil, sie halten tiefere Temperaturen aus. Und so ermöglichten sie es den Siedlern, die Höhen ausgerechnet in einer Zeit zu besiedeln, als die Region kälter wurde, weiter unten blieben sie bei Hirse (Science, 20. 11.). Jones will im nächsten Schritt erkunden, ob und wie die Pflanzen sich auf die Höhe einstellten, dort gibt es viele Herausforderungen, etwa die in der Höhe stärkere UV-Strahlung. (jl)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.11.2014)

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