„Genom Austria“: Die öffentliche DNA-Sequenzierung

´GENOM AUSTRIA´ - FREIWILLIGE F�R ERBGUT-SEQUENZIERUNG GESUCHT
´GENOM AUSTRIA´ - FREIWILLIGE F�R ERBGUT-SEQUENZIERUNG GESUCHT(c) APA/HERBERT PFARRHOFER (HERBERT PFARRHOFER)
  • Drucken

20 Freiwillige sollen ihre DNA-Sequenz ins Internet stellen: Damit wollen österreichische Forscher den Diskurs über die Bedeutung des Genoms in Wissenschaft und Gesellschaft antreiben.

„Die wichtigste gesundheitsrelevante Erkenntnis ist, dass ich heterozygoter Träger von Beta-Thalassämie bin“, sagt Giulio Superti-Furga. Er ist wissenschaftlicher Direktor des Forschungszentrums für Molekulare Medizin der Österreichischen Akademie der Wissenschaften – und der erste von 20 Österreichern, der sein sequenziertes Genom ins Internet stellt. Zirka drei Milliarden Buchstaben also, die für die Basen stehen, deren Abfolge die Erbinformation eines Menschen bildet.

Einer dieser Buchstaben ist in Superti-Furgas Genom ein T statt wie bei den meisten Menschen ein C, das bedeutet, dass in seiner DNA an dieser Stelle ein Thymin statt einem Cytosin sitzt. Man nennt so eine Variation, die nur eine Base betrifft, einen Einzelnukleotid-Polymorphismus, kurz SNP. Sie bewirkt in diesem Fall einen sogenannten Splicing-Defekt, d.h. die RNA – die Zwischenstufe in der Übersetzung von DNA in ein Protein – wird anders geschnitten als normal. Das beeinträchtigt die Bildung des Proteins, in diesem Fall des Hämoglobins, das ist der rote Blutfarbstoff, der den Sauerstoff transportiert.

Wenn ein Mensch auf zwei Chromosomen eines Paares – dem von der Mutter und dem vom Vater geerbten – diese Variation hat, leidet er an Beta-Thalassämie, das ist eine schwere Erbkrankheit, bei der die Patienten regelmäßige Bluttransfusionen brauchen. Superti-Furga hat sie zum Glück nur auf einem, dem von seiner Mutter geerbten, Chromosom, das meint er mit „heterozygoter Träger“. Diese Variante ist in Italien, wo Superti-Furga herkommt, recht häufig, das hat mit der Malaria zu tun, die einst im Po-Delta grassierte: Sie schützt nämlich vor dieser. „Ein Mitbringsel aus anderen Zeiten und Gegenden“, sagt Superti-Furga: „Es ergibt, dass ich als Heterozygot relativ wenig Hämoglobin habe, dass ich eher blass ausschaue und dass ich womöglich nie bei Ausdauersport Spitzenleistungen erbringen kann.“

Eine recht persönliche Information also, die man aus einem einzigen T lesen kann. Wieso war er bereit, sie zu veröffentlichen? „Es ist zunächst die Neugier und ein ehrliches Interesse“, sagt er. „Und dann gibt es auch eine Portion Narzissmus. Die Versuchung, sich im Spiegel zu betrachten. Vielleicht steht in den Genen, dass ich etwas Besonderes bin, dass ich eine romantische Herkunft habe, eine glorreiche Zukunft. Als Wissenschaftler weiß ich, dass das Mumpitz ist, als Mensch und Mann bin ich aber eitel...“

Diese ehrlichen, witzigen, auch (selbst-)kritischen Worte, die Superti-Furga genauso publiziert wie seine DNA, sind vorbildlich für die Debatte, die das – auch von der Wiener Medizin-Uni getragene – Projekt „Genom Austria“ katalysieren soll, 13 Jahre nachdem in den USA das erste Mal die – damals nur angeblich – vollständige Sequenzierung eines menschlichen Genoms verkündet wurde.

„Das Genom drückt die Einzigartigkeit jedes Menschen auf biologischer Basis aus, ganz so wie es die Seele im Religiösen tat“, sagt Wissenschaftstheoretikerin Helga Nowotny, die als Zweite ihre DNA ins Netz stellt. Auch über solche Vergleiche wird man diskutieren, genauso wie über die einst von US-Präsident Bill Clinton geprägte Metapher vom „Buch des Lebens“.

Die veröffentlichten Genom-Daten mögen als Beitrag für „personalisierte und partizipative Medizin“ verstanden werden“, meint Wolfgang Schütz, Rektor der Medizin-Uni. Wer mitmachen will, kann sich auf der Webseite genomaustria.at informieren und anmelden. Den Ehrenschutz hat Margit Fischer, die Frau des Bundespräsidenten übernommen: „Genetik als eine der Leitwissenschaften des 21.Jahrhunderts muss allen Bürgerinnen und Bürgern offen stehen und verständlich sein“, sagt sie.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.11.2014)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.