Ein Superrechner, eingelegt in Öl

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TU WIEN(c) APA/MATTHIAS HEISLER
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Österreichs größter Supercomputer steht an der TU Wien. Forscher von sieben Universitäten nutzen ihn. Nun zählt er in einem Ranking zu den energieeffizientesten der Welt.

In der Formel1 zählt nicht nur das Tempo. Ganz ähnlich ist es auch beim Wiener Supercomputer, dem Vienna Scientific Cluster (VSC-3). Er ist nicht nur einer der schnellsten Supercomputer der Welt, sondern, wie nun das Green-500-Ranking belegt, auch einer der energieeffizientesten.

Ob Biowissenschaften, Hochenergiephysik oder Fernerkundung: Viele Disziplinen brauchen heute Rechner mit extremer Leistungsfähigkeit. „Für uns sollte der VSC-3 vor allem zwei Anforderungen erfüllen: einerseits wollten wir ein optimales Werkzeug für die Wissenschaft. Andererseits war es uns aber auch wichtig, einen ökologisch vorbildlichen, energieeffizienten Großrechner aufzubauen“, sagt Johannes Fröhlich, Forschungsvizerektor der TU Wien.

Das scheint gelungen, denn der erst im Sommer offiziell eröffnete Großrechner rangiert nicht nur auf Platz 85 in der Liste der 500 leistungsfähigsten Computer der Welt, sondern auch auf Platz 86 im Ranking der energieeffizientesten Geräte. Ein solches System werde aber freilich nicht für Listen gebaut, sondern für die Nutzer, so Fröhlich.

Was den VSC-3 zum „Öko-Rechner“ macht, ist in erster Linie sein Kühlsystem. Die gesamte Hardware des Rechenclusters liegt in mit Öl befüllten Tanks: jeweils etwa 1200 Liter Weißöl, eine Mischung, die zum Großteil aus Paraffinöl besteht. Insgesamt ist der VCS-3 in mehr als 30.000 Litern Öl eingelegt.

Dabei nutzt man die besonders guten Wärmetransporteigenschaften von Öl: Es nimmt die Abwärme rund 1000-mal effizienter auf als Luft. „So kann man auf Lüfter verzichten, die bei luftgekühlten Systemen mehr als zehn Prozent des gesamten Energieverbrauchs verursachen“, sagt Ernst Haunschmid, der das VSC-Team leitet. Öl lässt sich auch gut mit Wasser kühlen: Temperaturen bis 55 Grad Celsius sind kein Problem. Selbst im Sommer sei es damit ausreichend, Wasser auf dem Dach des Gebäudes auf 45 Grad zu kühlen.

Wasser als direkte Kühlflüssigkeit im Rechner sei problematischer: Bei höheren Temperaturen bilden sich Algen oder Pilze, man müsse die Wasserqualität daher permanent überwachen, so Haunschmid. Außerdem müssten die empfindlichen Teile eines Rechners sehr gut vor dem Wasser geschützt werden.

Supercomputer heizt Gebäude

Das kürzlich veröffentlichte Ranking berücksichtigt aber nur das Verhältnis der Rechenleistung zum Energiebedarf und keine energetische Nachnutzung: Die TU Wien will die entstehende Wärme künftig nämlich nutzen, um das Gebäude am Arsenal zu beheizen. Die Anschlüsse sind jedenfalls vorbereitet.

Aber nicht nur Forscher der TU Wien nutzen das Großgerät: Insgesamt sieben österreichische Unis greifen auf die Rechenleistung zu. Die Zusammenarbeit begann mit dem VSC-1, den sich – wie zunächst auch den VSC-2 – TU, Uni und Boku Wien teilten. Für den VSC-3 sind nun auch die Uni Innsbruck und die TU Graz, die die Nutzer im Süden – die Unis Graz und Klagenfurt sowie die Montanuni Leoben – koordiniert, angeschlossen.

„Eine Uni allein hätte sich das nicht nur nicht leisten können, sie hätte auch das Geld dazu gar nicht bekommen“, sagt Fröhlich. Insgesamt 10,7 Millionen Euro kostete der VSC-3 inklusive Umbau und Betriebs- und Personalkosten. Geld, das über die Leistungsvereinbarungen der Unis aus dem Wissenschaftsministerium kam. Die gemeinsame Nutzung war eine Vorgabe. Wie teilen sich nun mehrere Unis einen Großrechner? „Eigentlich ist es egal, wo der Rechner steht, die Forscher können ja aus der Ferne zugreifen“, sagt Fröhlich.

Wichtig seien ein fairer Verteilungsschlüssel und die Qualitätssicherung: Nur wissenschaftlich geprüfte Projekte dürfen den Großrechner nutzen. Die meisten Forschungsvorhaben seien aber ohnehin durch ein sogenanntes Peer-Review-Verfahren abgesichert, bei dem externe Experten ein Projekt bewerten. Fehlt dieser Passierschein, gibt es ein eigenes wissenschaftliches Bewertungsverfahren durch Fachleute.

Neben dem VSC-3 laufen der VSC-2 und der VSC-1 noch parallel weiter. Letzterer wird 2015 aber abgeschaltet, weil er zu wenig energieeffizient ist. Auch künftig sollen immer zwei Großrechner parallel laufen. Und auch die Zentralanstalt für Meteorologie will 2015 einen ihren Großrechner auf dem Gelände aufstellen. Das Arsenal wird so weiter zu einem österreichischen Supercomputing-Zentrum ausgebaut.

„Wir können die Systeme ,veredeln‘, indem wir sie verknüpfen.“ Die kurzen Wege helfen, das effizient zu bewerkstelligen“, sagt Fröhlich.

Rechenzentrum wächst weiter

Der nächste Rechencluster solle zusätzlich mehr speicherintensive Anwendungen ermöglichen, wie sie, unter anderem in den Biowissenschaften, immer stärker gebraucht werden. Und so soll nach dem VSC-3 schon bald der VSC-4 kommen. „Wer A sagt, muss auch B, C und D sagen“, sagt Fröhlich. Ein Großrechner sei bereits nach drei bis vier Jahren veraltet, ohne entsprechende Anpassungen falle man im Ranking und vor allem im weltweiten Wettbewerb der Spitzenforschung rasch zurück.

„Wir müssen den Forschern, die jetzt begonnen haben, daran zu arbeiten, weiterhin die passenden Werkzeuge in die Hand geben. Nur dann können sie mit ihren Ideen vorn mithalten“, sagt Fröhlich. Denn auch in der Formel 1 werden die Autos schließlich ständig weiterentwickelt, damit sie nicht überholt werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.11.2014)

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