Medizin: Neue Haut für Schmetterlingskinder

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Salzburger Forscher arbeiten an Behandlungsmethoden für Epidermolysis bullosa. Mit der Transplantation genkorrigierter Haut ist ein Durchbruch gelungen.

Für Schmetterlingskinder ist selbst eine sanfte Umarmung wie die Berührung mit einem Reibeisen. Ihre Haut reagiert auf leichtesten Druck mit schmerzenden Blasen und blutenden Wunden. Die genetisch bedingte Hauterkrankung Epidermolysis bullosa (EB) – in Europa sind rund 30.000 Menschen betroffen – galt bislang als unheilbar.

Doch nun ist in Salzburg so etwas wie eine kleine medizinische Sensation geglückt. An der Universitätsklinik für Dermatologie wurden einer 51-jährigen Frau im Juli mehrere genkorrigierte Hautstücke transplantiert. Die letzte Kontrolle vor vier Wochen gibt Anlass zu großer Hoffnung. „Handtellergroße Wunden, die sich jahrelang nicht geschlossen hatten, sind jetzt zu“, ist Johann Bauer, Vorstand der Universitätsklinik für Dermatologie und Leiter des EB-Hauses in Salzburg, mit dem Ergebnis zufrieden. Die transplantierte Haut ist gut angewachsen und belastbar. An den Stellen am Unterschenkel bilden sich keine Blasen mehr. Ein Durchbruch bei der Behandlung von Patienten mit schweren Formen von EB.

Die aufsehenerregende Transplantation ist das Ergebnis einer jahrelangen Forschungskooperation zwischen der Universitätsklinik für Dermatologie beziehungsweise dem EB-Haus in Salzburg und dem Zentrum für regenerative Medizin in Modena in Italien. Die Salzburger haben der Patientin mittels Biopsie Haut entnommen. Im Fall der 51-Jährigen waren drei Hautstanzen notwendig, bis endlich Stammzellen isoliert werden konnten.

„Die Kunst war es, gute Stammzellen zu finden und herauszufiltern“, erläutert Bauer. Bei älteren EB-Patienten sind die Stammzellen aufgrund der immer wiederkehrenden Wunden und Heilungsprozesse nämlich erschöpft. Sie funktionieren nicht oder nur mehr eingeschränkt. Erst bei der dritten Biopsie konnten für die Gentherapie verwendbare Stammzellen isoliert werden.

Reparaturgen eingeschleust

Bei der junktionalen Form von EB, an der die 51-jährige Patientin erkrankt ist, fehlt das Protein LAMB3 entweder, oder es ist nur reduziert vorhanden. Ohne dieses Protein halten – stark vereinfacht gesagt – die einzelnen Hautschichten nicht zusammen, bei der kleinsten Belastung entstehen schmerzende Blasen oder Wunden.

Im Speziallabor in Modena versuchten die italienischen Wissenschaftler, diesen Gendefekt auszuschalten: Sie brachten in die Stammzellen ein gesundes LAMB3-Gen ein und vermehrten sie. Als die daraus entstandenen Hautstücke fünf mal sieben Zentimeter groß waren, wurden sie auf einer Spezialmembran aufgebracht und für die Transplantation nach Salzburg geschickt. Die Operation, bei der insgesamt fünf Hautstücke an für die Patientin besonders belasteten Körperstellen aufgebracht wurden, wurde durch den Dermato-Chirurgen Josef Koller im Juli durchgeführt.

Arbeit mit der Genschere

Die Transplantation kann die Schmetterlingskinder nicht völlig von ihrem Leiden befreien, aber sie führt an besonders belasteten Stellen des Körpers zur lokalen dauerhaften Heilung. „Das ist ein großer Schritt“, sagt Bauer. Der Mediziner arbeitet mit mehreren Forschungsteams an weiteren Verbesserungen.

Derzeit funktioniert die Korrektur nur mit Mutationen im LAMB3-Gen. Die Salzburger forschen intensiv daran, auch für andere – und vor allem häufiger auftretende – Genmutationen die entsprechenden Korrekturmoleküle zu finden.

Sehr vielversprechend ist ein weiterer Ansatz: Die Salzburger Forscher schleusen mit einer Genschere einen Teil eines gesunden Kollagen-7-Gens in die Hautzellen ein. „Wir arbeiten dabei nicht mit dem ganzen Gen, sondern nur mit einem kleinen Teil“, erläutert Bauer den Unterschied zum italienischen Ansatz. Mit der Genschere könnten auch große Gene korrigiert werden. Die Salzburger haben diese Methode auch bereits zum Patent angemeldet. Im Reagenzglas und im Tiermodell funktioniert die Genschere. Derzeit laufen die Vorbereitungen, um die Methode auch für Patienten zugänglich zu machen.

Parallel dazu laufen gemeinsam mit der Naturwissenschaftlichen Fakultät der Universität Salzburg Forschungen, die sich mit der immunologischen Abwehr von neu eingebrachten Proteinen beschäftigen. Schließlich könnte der Körper das durch die Genkorrektur veränderte Protein als fremd einstufen und eine Abstoßungsreaktion in Gang setzen.

Forschungszentrum aus Spenden

Zentrum aller Forschungsbemühungen ist das EB-Haus in Salzburg, das vor knapp zehn Jahren durch eine Initiative der Selbsthilfegruppe Debra-Austria und Spenden entstanden ist. Ziel des EB-Hauses ist es einerseits, die medizinische Versorgung von EB-Patienten zu verbessern und andererseits die Erforschung dieser Hauterkrankung zu intensivieren – mit mittlerweile vielversprechenden Ergebnissen bei der Behandlung der Schmetterlingskinder.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.11.2014)

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