Hilfe aus der Rhabarberwurzel

Diacerin – ein Extrakt der Rhabarberwurzel – dürfte die Bildung von Blasen vermindern. In Salzburg wird eine Creme entwickelt.

Die Ergebnisse der ersten klinischen Studie sind sehr vielversprechend: Eine Creme mit dem Wirkstoff Diacerin verbessert die Widerstandsfähigkeit der Haut von Schmetterlingskindern signifikant. „Es werden um 80 Prozent weniger Blasen gebildet“, sagt der Dermatologe Johann Bauer nach der Behandlung der ersten vier Patienten mit der neuen Creme. Diacerin ist ein bekannter pflanzlicher Wirkstoff: Das Extrakt der Rhabarberwurzel erhalten normalerweise Menschen mit rheumatoider Arthritis als Tablette, um ihre Beschwerden zu lindern. Es bremst die Produktion des Botenstoffs Interleukin 1 Beta.

Und genau dieser Botenstoff ist auch in den Hautzellen von Schmetterlingskindern überschießend vorhanden, wie die Grundlagenforschung zu Epidermolysis bullosa an der Uni-Klinik für Dermatologie in Salzburg ergeben hat. „Wir haben auf dieser Basis gezielt nach Substanzen gesucht, die Interleukin 1 Beta bremsen“, so Bauer. Dabei stieß die Molekularbiologin Verena Wally in der Fachliteratur auf Diacerin. Die Salzburger mischten den pflanzlichen Wirkstoff einfach in eine lokal aufzutragende Hautcreme.

Im Frühjahr dieses Jahres wurde der Creme von der europäischen Arzneimittelagentur die Zulassung als „Orphan drug“ (Medikament gegen seltene Erkrankungen) erteilt. Jetzt läuft eine größere Studie, um die Zulassung als Medikament voranzutreiben. „Wenn die Ergebnisse halten, wäre das ein riesiger Fortschritt bei der Lebensqualität von Schmetterlingskindern“, sagt Bauer. Er erzählt von einem EB-Patienten aus Südafrika, dem er die Creme im Sommer zum Ausprobieren mitgegeben hat. Der Mann sei begeisterter Golfspieler, habe sein Hobby aber immer mit entsetzlichen Blasen auf der Haut büßen müssen. „Er hat mir geschrieben, dass er dank Diacerin nun 18 Löcher durchspielen kann“, erzählt der Dermatologe.

Die Forschungen an der seltenen Krankheit EB könnten auch bei anderen Erkrankungen Fortschritte bringen. Es gibt Anzeichen, dass die Creme mit Diacerin nicht nur die Haut von Schmetterlingskindern bessert, sondern auch bei Schuppenflechte oder Neurodermitis Linderung bringt.

Während sowohl die Transplantation als auch die Creme nur lokale Behandlungsmöglichkeiten sind, arbeitet eine weitere Forschungsgruppe am Fachbereich für Zellbiologie der Uni Salzburg an systemischen Ansätzen: Durch eine Änderung in den Ribosomen soll eine Zelle jene Proteine produzieren, die bei Schmetterlingskindern fehlen. In Hefezellen funktioniert der Ansatz, er soll nun auf Hautzellen übertragen werden. (c. l.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.11.2014)

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