Lang gesuchter Molekülschalter gefunden

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Molekularbiologie. Österreichische Forscher fanden erstmals ein Molekül, das den Wachstumsmechanismus von Zellen in Gang setzt. Dieses Protein kann messen, ob genug Proteinbausteine für den Zellaufbau vorhanden sind.

Essen ohne zuzunehmen? Muskelschwund stoppen durch Medikamente, die den Muskelaufbau fördern? Das sind Zukunftsvisionen von Giulio Superti-Furga, wenn er erzählt, was das entdeckte Protein alles leisten könnte. Konkret geht es um ein Molekül, das in den Membranen von Zellen und ihren Funktionseinheiten vorkommt und auf Transport spezialisiert ist. „Wir kennen die Proteinklasse bereits, weil die auch Arzneistoffe in Zellen bringt“, sagt Superti-Furga, Leiter des Forschungszentrums für Molekulare Medizin (CeMM) der Östereichischen Akademie der Wissenschaften.

SLC38A9 heißt das Transportprotein, das zu einer Gruppe gehört, die auch Zuckerstoffe und Aminosäuren durch Zellmembranen schleusen kann und weltweit bisher kaum erforscht wurde. Dass dieses SLC-Protein (Solute Carrier Protein) eine große Sensation ist, wurde den Molekularbiologen erst vor Kurzem bewusst. Gemeinsam mit dem Team um Lukas Huber der Med-Uni Innsbruck waren die CeMM-Forscher auf der Suche nach dem geheimen Schalter, der im mTor-Signalweg die Entscheidung zwischen Wachsen und Schrumpfen regelt.

Der mTor-Komplex ist Teil all unserer Zellen und stellt die Weichen zwischen Stoffaufbau (Anabolismus) und Stoffabbau (Katabolismus). „Das ist ein wichtiges Schlüsselprotein, das mit Muskelaufbau ebenso zu tun hat wie mit Fettanreicherung oder dem Recycling von Zellen und ihrer Selbstzerstörung“, sagt Superti-Furga. Die Wissenschaftswelt sucht seit Jahren Faktoren, die mTor bei der Entscheidung für Aufbau oder Abbau beeinflussen. „Es gibt eine Reihe von Dingen, die gecheckt werden müssen: Ist genug ATP, also Energie, für den Aufbau vorhanden? Sind genug Kohlenwasserstoffe, also Zucker, da? Und der wichtigste Faktor von allen: Gibt es genug Aminosäuren für den Zellaufbau?“

Hoffnung auf neue Therapien

Ohne Aminosäuren, also Proteinbausteine, kann mTor nicht tätig werden. Doch wie misst mTor, wie viele Aminosäuren in seiner Umgebung sind? Das österreichische Team mit italienischer Beteiligung (Universität von Kalabrien) hat nun mit SLC38A9 ein Enzym gefunden, das wie ein Sensor für die Anwesenheit von Aminsosäuren funktioniert (Nature, 7. 1.). „Mit genetischen Tricks haben wir in Experimenten SLC38A9 angereichert: Das kurbelte die Aktivität von mTor in Richtung Aufbauprogramm an.“ Blockiert man SLC38A9, wird mTor eher gebremst.

Diese ersten Ergebnisse geben Hoffnung für den gezielten Einsatz des neuen Transportproteins. Fettleibigkeit und andere Stoffwechselerkrankungen könnten mit einer SLC38A9-Blockade therapiert werden. In weiterer Folge sogar Krebs, bei dem die Steuerung für Zellwachstum gestört ist. Auch Krankheiten, die vermehrten Anabolismus brauchen, wie Muskelschwund, könnten Ziel medizinischer Forschung sein. Jetzt gilt es aber noch, die genauen Signale der mTor-Aktivierung und Aminosäuremessung zu bestimmen.

Wo das Ganze in der Zelle passiert, wissen die Forscher schon: Am Lysosom, dem Zellbestandteil, der als Recyclingmaschine und als Lager der Zellbausteine fungiert. „Klar: Dort, wo das Lager ist, wird entschieden, ob genug Material für den Aufbau vorhanden ist. Wenn nicht, wird dort das Programm für das Recycling gestartet“, sagt Superti-Furga.

LEXIKON

Anabolismus beschreibt den Stoffaufbau wie den Muskelaufbau oder die Anreicherung von Fettgewebe. Für den Aufbau von Stoffen wird Energie benötigt, ebenso die Einzelbestandteile wie Aminosäuren für den Aufbau von Eiweißen (Proteinen).

Katabolismus ist der Stoffabbau und ebenso wie Anabolismus Teil des Metabolismus. Beim Abbau von Stoffwechselprodukten wird meist Energie gewonnen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.01.2015)

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