Sozial lernt man von seinesgleichen

ERDMAeNNCHEN-NACHWUCHS
ERDMAeNNCHEN-NACHWUCHS(c) APA/TIERGARTEN SCHÖNBRUNN/NORBER
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Wenn man sieht, dass und wovor ein anderer sich fürchtet, übernimmt man die Furcht, vor allem dann, wenn der andere die gleiche Hautfarbe hat.

Was es alles zu fürchten gibt in der Welt, und was nicht, das können wir nicht allein lernen, wir müssen es anderen abschauen: Ist etwa eine Schlange gefährlich, oder eine Spinne? Das ist nicht nur für uns ein Problem, für Tiere auch, viele lösen es wie wir, durch soziales Lernen. Aber von wem soll man lernen, wem kann man vertrauen? Manche Tiere lassen sich zwar gar artübergreifend vor aktuellen Gefahren warnen: Erdmännchen etwa flüchten, wenn sie die Warnrufe mancher Vögel hören, Drongos. Aber die können (be)trügen, Drongos geben auch Fehlalarme, um Erdmännchen die Beute zu stehlen.
Deshalb lassen sich Tiere eher von Vertrauten leiten, bei aktuellen Warnungen wie beim Einlernen in wiederkehrende Gefahren. Das hat sich etwa an Hirschmäusen gezeigt. Die werden u. a. von stechenden Insekten geplagt: Fallen die zum ersten Mal über eine her, setzt sie ihre Schmerzempfindlichkeit herab und sucht die Flucht: Sie gräbt sich ein. Das tut sie im Labor auch drei Tage später, wenn sie die Gefahr nur kommen sieht, sie hat individuell gelernt. Und andere Mäuse, die selbst nicht bedroht sind, aber zusehen, tun dann das Gleiche, sie haben sozial gelernt. Am besten tun sie das, wenn die Maus, von der sie lernen – der Demonstrator –, eng mit ihnen verwandt ist und/oder einen höheren Rang hat als sie selbst.

Weiße vertrauen Weißen

Und wir? Bei uns wusste man schon, dass bei dem, was Furcht auslöst, die Nähe oder Fremde mitspielt: Weiße fühlen sich eher von Schwarzen bedroht als von Weißen, den Schwarzen geht es vice versa. Schlägt das auch auf das Erlernen von Furcht durch? Armita Golkar, Neuroforscherin im Karolinsak Institut in Stockholm, hat heimische Studenten in ihr Labor geladen, Schweden also, Weiße. Die sahen auf Video einen Demonstrator, der entweder das Bild einer Schlange betrachtete oder das einer Spinne. Sah er eine Schlange, bekam er zugleich einen Elektroschock, daraufhin zeigte er Furcht. Die zeigten auch die Testpersonen selbst, als sie in der nächsten Runde mit dem Bild der Schlange konfrontiert wurden (ohne Elektroschock). Vor der Spinne fürchtete sich keiner.
Umgekehrt kann man Ängste auch ausradieren: Diesmal erhielten die Testpersonen beim Anblick eines Bildes einer Schlange einen Elektroschock, dann sahen sie den Demonstrator, der keinerlei Furcht zeigte, das ließ auch die der Testpersonen wieder schwinden.
In beiden Varianten hing viel daran, ob der Demonstrator ein Weißer war oder ein Schwarzer: Von Weißen wurde mehr gelernt, auch beim Verlernen, und von Schwarzen wurde um so weniger gelernt, je rassistischer die Testperson eingestellt war (Biology Letters, 28. 1.). Trotzdem vermutet Golkar, selbst Iranerin, dass „Rasse per se“ als Erklärung nicht ausreicht – weil die in der Evolution der Menschheit ein zu junges Phänomen ist – , und dass es eher um In-Group vs. Out-Group geht.

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