Wellen vom Urknall? Nichts als Staub!

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Im März 2014 berichteten Physiker über eine vermeintliche Sensation: Gravitationswellen aus der Frühzeit des Universums. Jetzt sagen sie selbst: Der Grund für die beobachteten Muster ist viel trivialer.

„Teleskop fing Wellen vom Urknall ein“: So betitelte „Die Presse“ am 18. März 2014 einen Artikel von wahrhaft kosmischem Anspruch. Es ging darin um Messungen der kosmischen Hintergrundstrahlung mit einem am Südpol stehenden Teleskop namens Bicep2 (von „Background Imaging of Cosmic Extragalactic Polarization“). In diesen Messungen fanden die Astronomen ein Muster, aus dem sie Gewaltiges lasen: Gravitationswellen, die von der Inflation des Universums – der Phase rasanter Ausdehnung gleich nach dem Urknall – stammen.

Eine zweifache Sensation also. Erstens gab es bis dahin keinen Nachweis der Gravitationswellen, Wellen der Schwerkraft, wie sie von Einsteins Allgemeiner Relativitätstheorie vorausgesagt werden. Zweitens halten viele Kosmologen die Inflationstheorie für plausibel, allerdings kennt keiner die Kräfte, die sie getrieben haben sollen, und vor allem ist sie durchaus nicht durch Messungen bestätigt.

Entsprechend groß brachten auch andere Zeitungen diese Geschichte. Immerhin war sie in Nature erschienen, wenn auch nicht als wissenschaftliche Publikation im strengen Sinn, sondern „nur“ als „Breaking News“, in der von „images of the infant universe“ und Dergleichen die Rede war, flankiert von etlichen Artikeln und Interviews. In denen die Physiker um John Kovac an der Harvard University auch versicherten, sie könnten trivialere Ursachen für die gesichteten Muster – etwa Staub – ausschließen.

Nicht nur die Begründer der Inflationstheorie jubelten in bewegten Worten. Die Arbeit, sagte etwa Harvard-Physiker Avi Loeb, bringe „neue Erkenntnisse für manche unserer grundlegenden Fragen: Warum existieren wir? Wie fing das Universum an?“

Keine elf Monate später bereuen wohl etliche den Jubel. Und zugegeben: Auch in den „Presse“-Berichten über die Bicep2-Messungen hätten besser ein paar Konjunktive und Zweifel mehr stehen sollen. Denn was manche Physiker schon im Oktober 2014 argwöhnten, ist nun offiziell, Nature News spricht vom „letzten Nagel im Sarg“: Die Muster in der Hintergrundstrahlung haben nichts mit Gravitationswellen und/oder der Urzeit des Universums zu tun, sondern rühren von Staub unserer Galaxie, der Milchstraße. „Das war wirklich ein außergewöhnliches (wenn auch halluzinatorisches) Phänomen“, sagt Paul Ginsparg, ein Physiker an der Cornell University, über die Flut an wissenschaftlichen Publikationen, in denen die vermeintliche Bicep2-Sensation erwähnt wurde. Man könne einiges daraus lernen, meint Ginsparg trocken, etwa dass man sich nicht beim Annehmen einer Flasche Champagner filmen lassen sollte.

Zugleich versichert Nature News in einem weiteren Artikel: „Die Jagd nach den Gravitationswellen geht in die nächste Phase.“ Hoffentlich mit weniger Jägerlatein.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.02.2015)

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