Biologie: Künstliche Wimpern? Lieber nicht

(c) EPA (JOERG CARSTENSEN)
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Die Haare der Lider haben bei allen Säugetieren das gleiche Größenverhältnis zu den Augen. Dadurch werden die vor Luftzug geschützt – und vor Üblem darin.

Das Auge ist der Umwelt direkt ausgesetzt, die Folgen zeigen sich etwa in der Bindehautentzündung Conjunctivitis allergica. Ausgelöst wird die von irgendwelchen Teilchen in der Luft – Staub, Pollen, abblätterndem Make-up etc. –, das Auge bedient sich zur Abwehr der Tränenflüssigkeit, einer Mischung aus Schleim, Öl und Wasser. Andere Schutzmöglichkeiten hat es nicht.

Oder doch? Es gibt schon noch die Augenlider. Dem Ingenieur David Hu (Georgia Institute of Technology) fielen die erst richtig auf, als seine neugeborene Tochter vor drei Jahren damit klimperte. Und wenn Hu etwas auffällt, dann geht er dem systematisch nach, er hat auch schon erkundet, in welcher Frequenz Hunde sich schütteln. Nun also die Lider, wozu sind sie da? Hu vertiefte sich in die Literatur, er fand viele Theorien: Manche setzen auf die Funktion von Staubfängern, andere auf die von Sonnenschirmen, wieder andere vermuten, es seien Sensoren, so wie die Schnurrhaare der Ratten. Diese Hypothesen gelten für alle bewimperten Tiere, bei Menschen kommt noch etwas hinzu: Augenlider sind Signale, sexuelle vor allem, deshalb setzen viele Frauen seit Kleopatra auf künstliche, verlängerte.

Sie tun sich damit nichts Gutes, darauf deutet der jüngste Befund Hus. Er hat zunächst einige seiner Studenten ins örtliche Naturkundemuseum geschickt und sie bei 22 Säugetierarten – von Elefantenrüsselmäusen bis zu Elefanten – messen lassen. Bei 21 zeigte sich ein durchgängiges Muster, es gilt auch für Menschen: Die Lider sind ein Drittel Mal so lang, wie die Augen breit sind, nur Elefanten bilden eine Ausnahme, sie haben längere Lider. Bei allen anderen ist das Verhältnis 1:3, und warum das so ist, testete Hu im Windkanal, an simulierten Augen mit simulierten Wimpern.

Deren Länge ließ sich variieren, und es zeigte sich, dass das 1:3 die optimale Luftströmung zum Auge bringt: Kommen Wimpern dieser Länge in Wind, oder machen sie selbst welchen, legt sich eine schützende, nur schwach bewegte Luftschicht über die Cornea des Auges. Sind die Lider zu kurz, fehlt der Schutz, die Folgen kennt man in der Medizin von Menschen, die überhaupt keine Lider haben: Ihre Augen sind oft infiziert.

Ähnliches fürchtet Hu bei verlängerten Lidern, auch sie zerstörten im Windkanal die schützende Schicht (Royal Society Interface 25.2.): „Lange, elegante künstliche Wimpern sind nicht ideal“, mahnt der Forscher: „Sie mögen gut aussehen, sind aber nicht das Richtige für die Gesundheit Ihrer Augen.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.02.2015)

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